Da ist er nun, der
Skandalfilm zum Skandal-Bestseller. Wie zu erwarten, hat “50 Shades
of Grey” am Startwochenende bereits Unmengen an Geld eingespielt,
über $ 250 Mio. sind es geworden. Nachdem ungeduldige Fans und
Katastrophentouristen ihre Neugier befriedigt hatten, hat der Film
mittlerweile über $500 Mio. eingespielt, was mich doch ein wenig
wundert. Gehe ich nach der besuchten Vorstellung, kann die
Mundpropaganda nicht gerade positiv ausgefallen sein. Das Publikum
wirkte doch eher ernüchtert (oder gepflegt gelangweilt). Aber
vermutlich dauert es einfach, bis solche Infos auch in die letzte
Ecke vorgedrungen sind. In den USA brach der Film in der zweiten
Woche jedenfalls um 74 % ein.
Die Handlung folgt dem
Buch: Studentin Anastasia Steele (Dakota Johnson) springt für ihre
Journalisten-Freundin bei einem Interviewtermin ein. Interviewpartner
ist der 27-jährige Milliardär Christian Grey (Jamie Dornan), zu dem
sich Mauerblümchen Ana aufgrund seines guten Aussehens und seiner
mysteriösen Art sofort hingezogen fühlt. Aus irgendeinem Grund
findet Christian sie auch super und taucht immer wieder in ihrer Nähe
auf. Ana kann sich eine Beziehung mit ihm vorstellen, aber Christian
erklärt ihr gleich, dass er ihr Romantik nicht bieten kann, denn er
steht nur auf SM-Sex, hat sogar ein „Spielzimmer“ dafür
eingerichtet, bei dem jeder SM-Club vor Neid erblassen würde. Um mit
Christian zusammen sein zu können, soll Ana einen Vertrag
unterschreiben, in dem sie einwilligt Christians „Sub“ (der
devote Part in einer SM-Beziehung) zu sein und der alle Vorlieben und
Grenzen in einem BDSM-Szenario regelt. Zwar ist Ana das Ganze eher
suspekt, aber weil sie Christian so liebt, willigt sie ein testweise
ein paar SM-Spielchen auszuprobieren. Wirklich nachvollziehen kann
sie Christians Vorlieben aber nicht, was immer wieder zu Spannungen
zwischen den beiden führt.
Man kann den Film mit
einem Wort zusammenfassen: Langweilig. Der Soundtrack ist ganz
gelungen, man hat einige der besonders kontroversen Szenen aus dem
Buch weggelassen oder entschärft, und Dakota Johnson hat zwar die
erotische Ausstrahlung eines nassen Waschlappens, spielt aber
ordentlich und macht Ana im Gegensatz zur Buchversion zumindest
erträglich. Mehr Positives hab ich nicht zu diesem Film zu sagen.
Ach so, doch: das eine Sofakissen sah ganz hübsch aus, die
Bettwäschenfarbe in einer Szene hat mir gefallen, Ana trägt einige
schöne Kleider. Und dass ich mir über solche Dinge Gedanken gemacht
habe, anstatt der Handlung zu folgen, sollte Warnung genug sein.
Aber für die, die noch
mehr Gründe haben wollen, warum sie den Film meiden sollten,
schreibe ich gerne weiter:
„Fifty Shades of
Grey“ ist Langeweile in Hochglanzoptik. Ich hoffte ja zumindest
darauf, dass der Film schlecht ist wie „Twilight“ schlecht ist –
auf eine unterhaltsame, lustige Weise. Leider falsch gedacht.
Natürlich gibt es einige Szenen und Dialoge, die zum Fremdschämen
einladen und unfreiwillig komisch sind, und ihnen merkt man auch an,
dass sie direkt aus dem Buch übernommen wurden (Autorin E. L. James
hatte das letzte Wort bei allen Änderungswünschen und hat häufig
auf ihrer Version bestanden). Lasen sich viele Sätze schon schlecht
(„Ich schlafe nicht mit jemandem. Ich ficke. Hart.“), sind sie
noch viel lächerlicher, wenn sie von den Schauspielern gesprochen
werden müssen, und irgendwie nötigt es mir schon Respekt ab, wenn
Johnson und Dornan sich da mit einem ernsten Gesichtsausdruck
durchbeißen. Allerdings sind diese ungewollt lustigen Momente rar
gesät; gleichzeitig hat man die extrem fragwürdige Konnotation der
Handlung (häuslicher Missbrauch getarnt als BDSM) aber
zurückgeschraubt, sodass man sich auch gar nicht richtig aufregen
kann. Man sitzt da und der Film plätschert so vor sich hin.
Hinzu kommt, dass bei der
allgemeinen Langeweile der Film nicht einmal das gut macht, womit er
ja so laut wirbt: Erotik will hier so gar nicht aufkommen; am ehesten
gelingt so etwas wie romantisch-erotische Stimmung noch in der ersten
Bettszene. Da merkt man Regisseurin Sam Taylor-Johnson an, dass sie
durchaus weiß, wie man Stimmung erzeugt. Dass sie sich den Rest des
Films über aber so gar keine Mühe mehr gibt, lässt darauf
schließen, dass ihre ständigen Diskussionen mit der Autorin
irgendwann zu einer „scheißegal“-Haltung führten und
Taylor-Johnson den Dreh einfach hinter sich bringen wollte. Alle ach
so verruchten Szenen im „Spielzimmer“ prickeln jedoch nicht im
geringsten; sie werden entweder durch schlechten Schnitt zerstört,
der der Szene komplett den Fluss raubt, oder durch absolut unpassende
Musik (z. B. ein Kirchenchoral, der ohne Ironie oder Bezug zur Szene
eingesetzt wird) – oder beides. Irgendwann stumpft man dann auch ab
bei all der nackten Haut, die so komplett unspannend und unsexy in
Szene gesetzt wird.
Dass so gar keine
erotische Spannung aufkommen will, liegt aber leider nicht nur an der
schlechten technischen Umsetzung, sondern auch an den Darstellern.
Die beiden haben absolut keine Chemie; Johnny Depp und Angelina waren
da in „The Tourist“ geradezu explodierende Reagenzgläser gegen.
Es ist kein Geheimnis, dass Dakota Johnson und Jamie Dornan sich
nicht besonders gut leiden können und auch nicht viel von „Fifty
Shades of Grey“ an sich halten. Selten war die Pressetour eines
Films so geprägt von aufgesetztem Lächeln, peinlich berührtem
Schweigen und dem ständigen Betonen, dass es absolut unangenehm ist
Sexszenen zu drehen. Da die Dialoge zwischen Ana und Christian
außerdem entweder vorhersehbar oder einfach nur schlecht sind, kommt
dadurch auch kein Knistern zwischen den beiden zustande. Selbst bei
bewusst lustigen Szenen sieht man die Pointe schon aus 10 km
Entfernung, was in den meisten Fällen dann nur noch ein müdes
Schmunzeln hervorruft.
Dakota Johnson schafft es
zumindest Ana halbwegs sympathisch wirken zu lassen, sie ist nicht
mehr die komplette nervige Katastrophe wie im Buch. Hier hilft
sicherlich auch, dass wir die Geschichte nicht aus Anas Sicht erzählt
bekommen und ihre „Innere Göttin“ wurde ebenfalls weggelassen.
Jamie Dornan leidet sich mit einem Gesichtsausdruck durch den Film
und musste extrem viel Kritik von der internationalen Presse
einstecken. Er hat schon in anderen Rollen bewiesen, dass er durchaus
schauspielern kann, er will nur einfach wirklich nicht in diesem Film
sein und zeigt das sehr deutlich.
Von allen anderen
Schauspielern sieht man nicht viel, wofür sie sicher dankbar sind.
Jennifer Ehle spielt Anas Mutter und zieht sich mit einem sanften
Lächeln in schöner Kulisse aus der Affäre. Victor Rasuk muss als
Jacob-Verschnitt den Nice Guy geben und nervt sich so durch seine
zwei Szenen. Eloise Mumford ist Anas unfähige Journalisten-Freundin
Kate, die eine Affäre mit Christians Bruder Elliott (Luke Grimes)
anfängt. Grimes wäre möglicherweise sogar der bessere Christian
gewesen.
Die
BDSM-Szene äußerte immer wieder die berechtigte Kritik, dass die in
Film und Büchern dargestellte Beziehung außer der
Spielzimmer-Ausstattung nichts mit der Realität einer BDSM-Beziehung
zu tun hat. Dies wird von den Fans jedoch damit entschuldigt, dass
Christian gar nicht an BDSM interessiert ist, sondern durch die
Gewaltausübung seinen als Kind erlittenen Missbrauch durch seine
Mutter kompensiert. Das wäre eine durchaus interessante Grundlage
für eine tiefgehende Charakterzeichnung, die jedoch sowohl Buch als
auch Film vollkommen abgeht. Teil 1 handelt Christians tragische
frühe Kindheit mit ein paar Sätzen ab und nur aufgrund dieser Szene
kann der Zuschauer gar nicht auf die Idee kommen, dass Christians
Vorliebe für BDSM überhaupt nichts mit seiner sexuellen Neigung zu
tun hat, sondern nur seine Art ist ein erlittenes Trauma zu
verarbeiten.
Wenn
man jedoch nicht möchte oder sich gar dagegen wehrt, dass Christians
Handeln als Beispiel für richtig ausgelebtes BDSM nach dem Grundsatz
„Safe Sane Consensual“ angesehen wird, dann sollte man die
Geschichte nicht genau damit verkaufen. Das Marketing verlässt sich
vollkommen auf die Aussage „Hier gibt’s versauten Sex mit
Peitschen und Handschellen! Aber in total romantisch!“ Da darf sich
dann bitte auch niemand beschweren, dass Leute, die tatsächlich
Ahnung von der Materie haben, sich aufgrund der komplett falschen
Darstellung im Film dazu genötigt fühlen, dies zu kritisieren.
Die
Tatsache, dass viele Frauen die in „Fifty Shades of Grey“
dargestellte Beziehung als romantisch und ideal empfinden, ist
sowieso eine beängstigende Entwicklung. Denn die Geschichte tut
nichts anderes als häusliche Gewalt und Missbrauch zu romantisieren.
Wenn man bedenkt, dass „Fifty Shades of Grey“ auf „Twilight“
basiert, wundert man sich auch gar nicht mehr – Edward ist ein
kontrollsüchtiger Stalker und Bella richtet ihr komplettes Leben
nach ihrem Freund aus. Wenn man diese Dynamik auf ein BDSM-Szenario
überträgt, hat man ein großes Problem.
Christian,
der angeblich so versiert in dem Ganzen ist, macht sich in keinster
Weise die Mühe Ana irgendetwas zu erklären – er lässt sie,
nachdem er ihr den Vertrag in die Hand gedrückt hat, mit Google
allein. Er bombadiert sie mit Emails und SMS, in denen er sie unter
Druck setzt sich doch bitte endlich mal zu entscheiden, er wartet ja
schon sooo sehnsüchtig. Er macht ihr sauteure Geschenke wie einen
neuen Laptop oder ein neues Auto (wofür er mal flott Anas geliebtes
altes Auto abschleppen lässt), aber ein bisher komplett unsicheres
Mäuschen wie Ana würde sich da natürlich nie auch nur in
irgendeiner Weise verpflichtet fühlen, ihm dafür etwas
zurückzugeben. Keinerlei Druck auf ihr, wirklich nicht! Von
Christians Kontrollsucht mal ganz abgesehen – wo geht sie hin, was
isst sie, mit wem verbringt sie ihre Zeit, wie kann sie es wagen ihre
Mutter besuchen zu wollen? Ana hat im Buch des Öfteren Angst, dass
Christian sie aus Wut schlagen könnte, und verbringt viel Zeit
damit, sich Vorwürfe zu machen, weil sie Christian wütend gemacht
hat.
Der Film hat immerhin Christians extrem soziopathischen Züge des Buches etwas heruntergeschraubt; er würde sich jetzt nur noch eine Unterlassungsklage einhandeln, und nicht mehr eine Anzeige wegen Vergewaltigung. Juhu! Auch Ana wirkt nicht mehr so, als habe sie einfach nur Angst vor ihm und macht deshalb alles mit, sie versucht zumindest hin und wieder, sich mal durchzusetzen, und wirkt auch in den diversen Sexszenen nicht so als wäre sie lieber woanders. Allgemein wirkt die Beziehung in der Filmversion „nur“ noch ungesund und unglaubwürdig, und nicht mehr komplett erzwungen. In den letzten zehn Minuten beginnt die Beziehung der beiden sogar beinahe interessant zu werden, aber dann endet der Film auf einem Nicht-Ende, ist einfach so vorbei, und ein Cliffhanger ist das nun wirklich nicht. Immerhin bleibt uns die in Selbstmitleid zerfließende Ana aus dem Buch hier erspart. Man ist ja schon dankbar für Kleinigkeiten.
Und naja, neben all diesen
recht großen Punkten gegen den Film kommen noch so viele kleine,
nervige Punkte hinzu – Anas ständiges Lippenbeißen, sodass mir
ihr einen Pflegestift in die Hand drücken will; die Dialoge, bei
denen die Charaktere sich ständig mit Namen ansprechen, so als
hätten sie Angst, dass wir uns die nicht merken können; Christians
ständige widersprüchliche Aussagen (kann keine Romantik, macht aber
ständig teure romantische Sache für Ana, um sie bei sich zu
halten); der auffallend nervige Schnitt; emotionales Wetter; nicht
zündende Pointen...
Gebt dafür kein Geld aus.
Wartet bis das Elend im TV läuft – da könnt ihr wegschalten oder
euch über die Werbung amüsieren. Die wird nämlich mit Sicherheit
unterhaltsamer als der Film.
Fazit: „Fifty Shades of Grey“ ist
weder ein gelungener Erotik-Film noch eine unterhaltsame Katastrophe,
sondern siecht in gepflegter Langeweile zwei Stunden vor sich hin.
Die Hauptdarsteller haben leider keinerlei Chemie, sodass nicht
einmal das die schlecht inszenierten Sexszenen retten kann. Wirklich
positiv ist nur der Soundtrack – aber dafür braucht man den Film
nicht sehen.
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