Dienstag, 10. März 2015

"Fifty Shades of Grey": Gähnen in 50 Facetten



Da ist er nun, der Skandalfilm zum Skandal-Bestseller. Wie zu erwarten, hat “50 Shades of Grey” am Startwochenende bereits Unmengen an Geld eingespielt, über $ 250 Mio. sind es geworden. Nachdem ungeduldige Fans und Katastrophentouristen ihre Neugier befriedigt hatten, hat der Film mittlerweile über $500 Mio. eingespielt, was mich doch ein wenig wundert. Gehe ich nach der besuchten Vorstellung, kann die Mundpropaganda nicht gerade positiv ausgefallen sein. Das Publikum wirkte doch eher ernüchtert (oder gepflegt gelangweilt). Aber vermutlich dauert es einfach, bis solche Infos auch in die letzte Ecke vorgedrungen sind. In den USA brach der Film in der zweiten Woche jedenfalls um 74 % ein.

Die Handlung folgt dem Buch: Studentin Anastasia Steele (Dakota Johnson) springt für ihre Journalisten-Freundin bei einem Interviewtermin ein. Interviewpartner ist der 27-jährige Milliardär Christian Grey (Jamie Dornan), zu dem sich Mauerblümchen Ana aufgrund seines guten Aussehens und seiner mysteriösen Art sofort hingezogen fühlt. Aus irgendeinem Grund findet Christian sie auch super und taucht immer wieder in ihrer Nähe auf. Ana kann sich eine Beziehung mit ihm vorstellen, aber Christian erklärt ihr gleich, dass er ihr Romantik nicht bieten kann, denn er steht nur auf SM-Sex, hat sogar ein „Spielzimmer“ dafür eingerichtet, bei dem jeder SM-Club vor Neid erblassen würde. Um mit Christian zusammen sein zu können, soll Ana einen Vertrag unterschreiben, in dem sie einwilligt Christians „Sub“ (der devote Part in einer SM-Beziehung) zu sein und der alle Vorlieben und Grenzen in einem BDSM-Szenario regelt. Zwar ist Ana das Ganze eher suspekt, aber weil sie Christian so liebt, willigt sie ein testweise ein paar SM-Spielchen auszuprobieren. Wirklich nachvollziehen kann sie Christians Vorlieben aber nicht, was immer wieder zu Spannungen zwischen den beiden führt.


Man kann den Film mit einem Wort zusammenfassen: Langweilig. Der Soundtrack ist ganz gelungen, man hat einige der besonders kontroversen Szenen aus dem Buch weggelassen oder entschärft, und Dakota Johnson hat zwar die erotische Ausstrahlung eines nassen Waschlappens, spielt aber ordentlich und macht Ana im Gegensatz zur Buchversion zumindest erträglich. Mehr Positives hab ich nicht zu diesem Film zu sagen. Ach so, doch: das eine Sofakissen sah ganz hübsch aus, die Bettwäschenfarbe in einer Szene hat mir gefallen, Ana trägt einige schöne Kleider. Und dass ich mir über solche Dinge Gedanken gemacht habe, anstatt der Handlung zu folgen, sollte Warnung genug sein.

Aber für die, die noch mehr Gründe haben wollen, warum sie den Film meiden sollten, schreibe ich gerne weiter:
Fifty Shades of Grey“ ist Langeweile in Hochglanzoptik. Ich hoffte ja zumindest darauf, dass der Film schlecht ist wie „Twilight“ schlecht ist – auf eine unterhaltsame, lustige Weise. Leider falsch gedacht. Natürlich gibt es einige Szenen und Dialoge, die zum Fremdschämen einladen und unfreiwillig komisch sind, und ihnen merkt man auch an, dass sie direkt aus dem Buch übernommen wurden (Autorin E. L. James hatte das letzte Wort bei allen Änderungswünschen und hat häufig auf ihrer Version bestanden). Lasen sich viele Sätze schon schlecht („Ich schlafe nicht mit jemandem. Ich ficke. Hart.“), sind sie noch viel lächerlicher, wenn sie von den Schauspielern gesprochen werden müssen, und irgendwie nötigt es mir schon Respekt ab, wenn Johnson und Dornan sich da mit einem ernsten Gesichtsausdruck durchbeißen. Allerdings sind diese ungewollt lustigen Momente rar gesät; gleichzeitig hat man die extrem fragwürdige Konnotation der Handlung (häuslicher Missbrauch getarnt als BDSM) aber zurückgeschraubt, sodass man sich auch gar nicht richtig aufregen kann. Man sitzt da und der Film plätschert so vor sich hin.

Hinzu kommt, dass bei der allgemeinen Langeweile der Film nicht einmal das gut macht, womit er ja so laut wirbt: Erotik will hier so gar nicht aufkommen; am ehesten gelingt so etwas wie romantisch-erotische Stimmung noch in der ersten Bettszene. Da merkt man Regisseurin Sam Taylor-Johnson an, dass sie durchaus weiß, wie man Stimmung erzeugt. Dass sie sich den Rest des Films über aber so gar keine Mühe mehr gibt, lässt darauf schließen, dass ihre ständigen Diskussionen mit der Autorin irgendwann zu einer „scheißegal“-Haltung führten und Taylor-Johnson den Dreh einfach hinter sich bringen wollte. Alle ach so verruchten Szenen im „Spielzimmer“ prickeln jedoch nicht im geringsten; sie werden entweder durch schlechten Schnitt zerstört, der der Szene komplett den Fluss raubt, oder durch absolut unpassende Musik (z. B. ein Kirchenchoral, der ohne Ironie oder Bezug zur Szene eingesetzt wird) – oder beides. Irgendwann stumpft man dann auch ab bei all der nackten Haut, die so komplett unspannend und unsexy in Szene gesetzt wird.

  
Dass so gar keine erotische Spannung aufkommen will, liegt aber leider nicht nur an der schlechten technischen Umsetzung, sondern auch an den Darstellern. Die beiden haben absolut keine Chemie; Johnny Depp und Angelina waren da in „The Tourist“ geradezu explodierende Reagenzgläser gegen. Es ist kein Geheimnis, dass Dakota Johnson und Jamie Dornan sich nicht besonders gut leiden können und auch nicht viel von „Fifty Shades of Grey“ an sich halten. Selten war die Pressetour eines Films so geprägt von aufgesetztem Lächeln, peinlich berührtem Schweigen und dem ständigen Betonen, dass es absolut unangenehm ist Sexszenen zu drehen. Da die Dialoge zwischen Ana und Christian außerdem entweder vorhersehbar oder einfach nur schlecht sind, kommt dadurch auch kein Knistern zwischen den beiden zustande. Selbst bei bewusst lustigen Szenen sieht man die Pointe schon aus 10 km Entfernung, was in den meisten Fällen dann nur noch ein müdes Schmunzeln hervorruft.

Dakota Johnson schafft es zumindest Ana halbwegs sympathisch wirken zu lassen, sie ist nicht mehr die komplette nervige Katastrophe wie im Buch. Hier hilft sicherlich auch, dass wir die Geschichte nicht aus Anas Sicht erzählt bekommen und ihre „Innere Göttin“ wurde ebenfalls weggelassen. Jamie Dornan leidet sich mit einem Gesichtsausdruck durch den Film und musste extrem viel Kritik von der internationalen Presse einstecken. Er hat schon in anderen Rollen bewiesen, dass er durchaus schauspielern kann, er will nur einfach wirklich nicht in diesem Film sein und zeigt das sehr deutlich.
Von allen anderen Schauspielern sieht man nicht viel, wofür sie sicher dankbar sind. Jennifer Ehle spielt Anas Mutter und zieht sich mit einem sanften Lächeln in schöner Kulisse aus der Affäre. Victor Rasuk muss als Jacob-Verschnitt den Nice Guy geben und nervt sich so durch seine zwei Szenen. Eloise Mumford ist Anas unfähige Journalisten-Freundin Kate, die eine Affäre mit Christians Bruder Elliott (Luke Grimes) anfängt. Grimes wäre möglicherweise sogar der bessere Christian gewesen.


Die BDSM-Szene äußerte immer wieder die berechtigte Kritik, dass die in Film und Büchern dargestellte Beziehung außer der Spielzimmer-Ausstattung nichts mit der Realität einer BDSM-Beziehung zu tun hat. Dies wird von den Fans jedoch damit entschuldigt, dass Christian gar nicht an BDSM interessiert ist, sondern durch die Gewaltausübung seinen als Kind erlittenen Missbrauch durch seine Mutter kompensiert. Das wäre eine durchaus interessante Grundlage für eine tiefgehende Charakterzeichnung, die jedoch sowohl Buch als auch Film vollkommen abgeht. Teil 1 handelt Christians tragische frühe Kindheit mit ein paar Sätzen ab und nur aufgrund dieser Szene kann der Zuschauer gar nicht auf die Idee kommen, dass Christians Vorliebe für BDSM überhaupt nichts mit seiner sexuellen Neigung zu tun hat, sondern nur seine Art ist ein erlittenes Trauma zu verarbeiten.
Wenn man jedoch nicht möchte oder sich gar dagegen wehrt, dass Christians Handeln als Beispiel für richtig ausgelebtes BDSM nach dem Grundsatz „Safe Sane Consensual“ angesehen wird, dann sollte man die Geschichte nicht genau damit verkaufen. Das Marketing verlässt sich vollkommen auf die Aussage „Hier gibt’s versauten Sex mit Peitschen und Handschellen! Aber in total romantisch!“ Da darf sich dann bitte auch niemand beschweren, dass Leute, die tatsächlich Ahnung von der Materie haben, sich aufgrund der komplett falschen Darstellung im Film dazu genötigt fühlen, dies zu kritisieren.
 

Die Tatsache, dass viele Frauen die in „Fifty Shades of Grey“ dargestellte Beziehung als romantisch und ideal empfinden, ist sowieso eine beängstigende Entwicklung. Denn die Geschichte tut nichts anderes als häusliche Gewalt und Missbrauch zu romantisieren. Wenn man bedenkt, dass „Fifty Shades of Grey“ auf „Twilight“ basiert, wundert man sich auch gar nicht mehr – Edward ist ein kontrollsüchtiger Stalker und Bella richtet ihr komplettes Leben nach ihrem Freund aus. Wenn man diese Dynamik auf ein BDSM-Szenario überträgt, hat man ein großes Problem.
Christian, der angeblich so versiert in dem Ganzen ist, macht sich in keinster Weise die Mühe Ana irgendetwas zu erklären – er lässt sie, nachdem er ihr den Vertrag in die Hand gedrückt hat, mit Google allein. Er bombadiert sie mit Emails und SMS, in denen er sie unter Druck setzt sich doch bitte endlich mal zu entscheiden, er wartet ja schon sooo sehnsüchtig. Er macht ihr sauteure Geschenke wie einen neuen Laptop oder ein neues Auto (wofür er mal flott Anas geliebtes altes Auto abschleppen lässt), aber ein bisher komplett unsicheres Mäuschen wie Ana würde sich da natürlich nie auch nur in irgendeiner Weise verpflichtet fühlen, ihm dafür etwas zurückzugeben. Keinerlei Druck auf ihr, wirklich nicht! Von Christians Kontrollsucht mal ganz abgesehen – wo geht sie hin, was isst sie, mit wem verbringt sie ihre Zeit, wie kann sie es wagen ihre Mutter besuchen zu wollen? Ana hat im Buch des Öfteren Angst, dass Christian sie aus Wut schlagen könnte, und verbringt viel Zeit damit, sich Vorwürfe zu machen, weil sie Christian wütend gemacht hat.

Der Film hat immerhin Christians extrem soziopathischen Züge des Buches etwas heruntergeschraubt; er würde sich jetzt nur noch eine Unterlassungsklage einhandeln, und nicht mehr eine Anzeige wegen Vergewaltigung. Juhu! Auch Ana wirkt nicht mehr so, als habe sie einfach nur Angst vor ihm und macht deshalb alles mit, sie versucht zumindest hin und wieder, sich mal durchzusetzen, und wirkt auch in den diversen Sexszenen nicht so als wäre sie lieber woanders. Allgemein wirkt die Beziehung in der Filmversion „nur“ noch ungesund und unglaubwürdig, und nicht mehr komplett erzwungen. In den letzten zehn Minuten beginnt die Beziehung der beiden sogar beinahe interessant zu werden, aber dann endet der Film auf einem Nicht-Ende, ist einfach so vorbei, und ein Cliffhanger ist das nun wirklich nicht. Immerhin bleibt uns die in Selbstmitleid zerfließende Ana aus dem Buch hier erspart. Man ist ja schon dankbar für Kleinigkeiten.

Und naja, neben all diesen recht großen Punkten gegen den Film kommen noch so viele kleine, nervige Punkte hinzu – Anas ständiges Lippenbeißen, sodass mir ihr einen Pflegestift in die Hand drücken will; die Dialoge, bei denen die Charaktere sich ständig mit Namen ansprechen, so als hätten sie Angst, dass wir uns die nicht merken können; Christians ständige widersprüchliche Aussagen (kann keine Romantik, macht aber ständig teure romantische Sache für Ana, um sie bei sich zu halten); der auffallend nervige Schnitt; emotionales Wetter; nicht zündende Pointen...

Gebt dafür kein Geld aus. Wartet bis das Elend im TV läuft – da könnt ihr wegschalten oder euch über die Werbung amüsieren. Die wird nämlich mit Sicherheit unterhaltsamer als der Film.

Fazit: „Fifty Shades of Grey“ ist weder ein gelungener Erotik-Film noch eine unterhaltsame Katastrophe, sondern siecht in gepflegter Langeweile zwei Stunden vor sich hin. Die Hauptdarsteller haben leider keinerlei Chemie, sodass nicht einmal das die schlecht inszenierten Sexszenen retten kann. Wirklich positiv ist nur der Soundtrack – aber dafür braucht man den Film nicht sehen.


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