Eigentlich hat mich "A Single Man" aus zwei Gründen gereizt: Colin Firth spielt mit und wurde sogar für den Oscar nominiert, und Tom Ford, früherer Kreativdirektor bei Gucci und mittlerweile Chef seines eigenen Modelabels, führte Regie. Wie soll das bitteschön aussehen?
Nun, um den Film überhaupt sehen zu können, musste ich erst einmal ein paar Nischenkinos abklappern, wurde so aber immerhin auf ein sehr charmantes Kino aufmerksam, dass sich auf etwas mainstream-abseitigere Filme spezialisiert hat.Und mich überkam gleich die Nostalgie, als es als Kinokarte tatsächlich noch die bunten kleinen „Schnipsel“ gab, auf denen noch nicht einmal der Filmtitel vermerkt ist. Das letzte Mal Ende der 90er gesehen. Hach.
Nach ein paar Trailern zu erwartungsgemäß unkommerziellen Filmen (die aber dennoch recht vielversprechend aussahen, wie „Sin Hombre“ und „Vertraute Fremde“) begann der Film.
Wir lernen George Falconer (Colin Firth) kennen, Universitäts-Professor in Los Angeles der 60er Jahre, der vor kurzem seinen Lebensgefährten Jim (Matthew Goode) bei einem Autounfall verloren hat. Da Homosexualität ein absolutes Tabu ist, kann er sich gerade einmal seiner Jugendfreundin Charlotte (Julianne Moore) anvertrauen. Nach Jims Tod kann George seinem Leben im Grunde nichts mehr abgewinnen, jeder Tag zieht im gleichen Grau an ihm vorbei. Und so beschließt er am 30. November 1962, sich umzubringen. Wir begleiten ihn durch diesen Tag, an dem eine Unterhaltung mit einem seiner Studenten (Nicholas Hoult) ihn aus seiner Lethargie reißt, er noch einmal einen Abend mit Charlotte verbringt und sich an die Zeit mit Jim zurückerinnert. Aber sein Entschluss steht...
Tom Ford erzählt sein Filmdebüt, welches auf dem Roman „Der Einzelgänger“ von Christopher Isherwood basiert, in exquisiten, stilisierten Bildern. Das mag nicht jedermanns Geschmack sein, und ein wenig daran gewöhnen muss man sich schon, da Ford häufig mit extremen Nahaufnahmen, Farbwechseln, Zeitlupe und Schneeeffekt arbeitet, aber hat man sich einmal darauf eingelassen, lässt einen der Film so schnell nicht mehr los.
Die Handlung schreitet in gutem Fluss voran; immer wieder wird man als Zuschauer (u.a. durch das permanente Ticken von Uhren) daran erinnert, dass dies der letzte Tag in Georges Leben ist. Hin und wieder wird die Beziehung zwischen George und Jim in kurzen Rückblenden gezeigt – ausgewählte, wichtige Momente aus ihrem gemeinsamen Leben, die dem Zuschauer helfen, Georges Entscheidung nachzuvollziehen.
Die großartigen Schauspieler tragen natürlich ebenfalls beträchtlich zum Gelingen des Films bei.Colin Firth wurde absolut zu recht für den Oscar nominiert. Er vermittelt Georges innere Leere sehr glaubwürdig – ein Mann, der die Liebe seines Lebens verloren hat und noch nicht einmal öffentlich trauern kann, sondern einfach weiter funktioniert und sich verschließt.Auch Julianne Moore liefert eine tolle Vorstellung als in Selbstmitleid zerfließende Charlotte, die den neuen Tag gleich mit einer Flasche Gin begrüßt und den ganzen Tag damit verbringt, sich für den Abend ausgehfertig zu machen. Auch die übrigen Schauspieler, seien es Nicholas Hout, Matthew Goode oder auch Jon Kortajarena als James Dean-Verschnitt Carlos sind überzeugend und bleiben im Gedächtnis.
Überrascht hat mich an „A Single Man“, dass der Film nicht durchgängig in Drama und übler Vorahnung ertrinkt, sondern dass es durchaus leichte und humorvolle Momente gibt. Wenn George ausprobiert, wie er sich am besten erschießt, um eine Sauerei im Haus zu vermeiden, ist das zugleich makaber und sehr lustig.
Ich muss zugeben, dass ich direkt nach dem Film unschlüssig war, wie gut er mit gefallen hat. Ich stelle jedoch fest, dass der Film zumindest für mich einen großen Nachwirkungseffekt hat und es mich sehr reizt, ihn noch einmal zu sehen.
Alles in allem ein großartiges Filmdebüt von Tom Ford mit überzeugenden Darstellern in einer ergreifenden Geschichte. Ford darf gerne noch mehr Filme machen.
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