Sonntag, 6. März 2011

"Rango": Vielleicht der bessere Western diesen März?

Ich weiß, eine durchaus gewagte Behauptung und ich frage erst einmal nur provokativ in die Runde, denn "True Grit" habe ich noch nicht gesehen. Wird nächste Woche erledigt. Was ich aber auf jeden Fall sagen kann: "Rango" hat verdammt gut vorgelegt!

Ein namenloses Chamaleon wird durch einen dummen Zufall aus dem Auto seiner Besitzer auf einen Highway geschleudert. Ein paar Unanehmlichkeiten später findet er sich weit abseits der Straße in dem kleinen Westernstädtchen Dreck wieder. Fremde sind dort nicht gerade gern gesehen (und überleben nicht lang, das wissen die Stadtbewohner aus Erfahrung), und so nennt er sich Rango und spielt den großen Helden, der schon wer weiß wieviele Schurken umgelegt hat. Nachdem Rango eher durch Glück als Verstand einen gefährlichen Raubvogel erledigt hat, wird er zum Sheriff gemacht. Doch in Dreck gibt es ein großes Problem: Das Wasser ist verschwunden. Rango verspricht, es wiederzufinden - aber da gibt es Leute, die ihm einen Strich durch die Rechnung machen wollen. Und der gefürchtete Klapperschlangen Jake wird ebenfalls "erwartet"...

Gore Verbinski meldet sich nach der "Fluch der Karibik"-Trilogie mit einem computeranimierten Western über ein Chamäleon mit Existenzproblemen und allerlei seltsames Wüstengetier zurück. Nach den Trailern war ich eher skeptisch. Ich konnte den Film nicht einordnen: War es eine Komödie? Oder doch ein Western? Wie passten die surrealen Szenen mit riesigen Plastikfischen zu den sehr real animierten Bewohnern von Dreck? Alles höchst seltsam. Und so ging ich dann auch eher ohne Erwartungen in den Film - was ich bisher gehört hatte, klang positiv, und da Johnny Depp als Rango mitwirkte, musste ich den Film sowieso gucken. *g*

Und ich bin richtig positiv überrascht. Mir hat "Rango" sehr gut gefallen; er ist ziemlich skurril mit einem etwas schrägen Sinn für Humor (kein Wunder, dass Depp da mitmachen wollte...), aber vor allem: ein waschechter Western. Ich kenn mich in diesem Genre jetzt nicht soooo gut aus, aber selbst mir sind diverse Zitate an den guten, alten Westernfilm aufgefallen, und ich denke, Westernkenner werden hier richtig fündig, was nette Anspielungen angeht. Ich persönlich habe mich sehr über den Wink an "Fear and Loathing in Las Vegas" und vor allem "At World's End" gefreut. *g* Der Plastikfisch wird auch erklärt. *g*

Die Charaktere sind herrlich abgedreht und bieten immer wieder tolles Potential für kleine Gags am Rande, sei es der seltsame "indianische" Hilfssheriff mit seiner "Lone Star"-Hilfsscheriffsmarke; der Vogel mit dem Pfeil durchs Auge *schüttel*, das Vieh mit dem "tu"-Sprachfehler (gesprochen von Martin Semmelrogge, hah! Ich hatte Recht!), das Eidechsenmädchen Bohne mit ihrem zu unpraktischen Zeiten einsetzenden Überlebensmechanismus... Alles herrlich verrückte Charaktere, wobei Rango natürlich besonders heraussticht. Er weiß nicht, wer er ist, wo er hingehört, hat kein Ziel vor Augen. Also spielt er den Held, wie er es in seinem Terrarium schon immer gemacht hat. Im Grunde haben wir bei ihm die klassische Heldenreise - er wächst an den ihm gestellten Aufgaben, kommt zu Fall, rappelt sich wieder auf. Das ist nicht neu, aber Verbinski verkauft es einfach gut und unterhaltsam, auch immer wieder mit ironischen Brüchen.


Im Original wartet die Synchronisation mit Stars wie eben Johnny Depp, Isla Fisher, Bill Nighy (jaja, der Verbinski versammelt wieder ein paar alte Bekannte *g*), Ray Winstone oder Alfred Molina auf. In der deutschen Fassung verzichtet man zum Glück auf "große" Namen und besetzte rollenkonform. David Nathan, Depps Stammsprecher, spricht Rango und gefällt mir das erste Mal seit einiger Zeit wieder uneingeschränkt gut. Gerade in Depps "realeren" Filmen der letzten Zeit wie "Public Enemies" und v. a. in "The Tourist" fand ich ihn nicht mehr so gut wie früher, irgendwie fehlte mir was. Vielleicht versuchte er zu sehr, sich Depps Originalstimme anzupassen oder die Einsätze als Batman steckten ihm noch zu sehr in den Knochen - er klang irgendwie anders. Hier liefert er jedoch voll ab, springt zwischen ängstlich-fiepsig und taff-heldenmäßig hin und her und gefällt mir - vielleicht - sogar etwas besser als Depp selbst. *g* Ich hab den Film natürlich noch nicht komplett im Original gesehen, aber in dem was ich gesehen habe, erinnerte mich Depp manchmal etwas zu sehr an Kermit. *g*
Auch die anderen deutschen Sprecher leisten wirklich gute Arbeit; man hat viele Charakterstimmen gewählt, so habe ich mich besonders über Wolfgang Ziffer, Tilo Schmitz und eben auch Martin Semmelrogge (als Kröte Waffles) gefreut. Überrascht war ich, dass Michael Kessler ("Switch") Klapperschlangen Jake spricht. Hab ich nicht erkannt, aber sehr gut gemacht. TheBossHoss singen die lustige mexikanische Eulen-Combo, die das Geschehen immer wieder hochdramatisch kommentieren.

Visuell ist "Rango" großartig anzuschauen. Das hat richtig Westernflair, die staubige Prärie, die welken Kakteen, wunderschöne Sonnenuntergänge, tote Büsche, die über die Straße rollen, gleißendes Sonnenlicht, die richtig dreckige Stadt... Dazu wunderbare Kleinigkeiten (das Postgebäude ist ein alter amerikanischer Briefkasten; die Bilder im Büro des Bürgermeisters) und natürlich die ganzen Referenzen an das Westerngenre wie Duelle um 12 Uhr mittags, die Atmosphäre im Saloon (Stille und das Beobachten des Fremden), der Ritt durch die Prärie, der Auftritt einer Westernikone als "Geist des Westens". Ich bin sicher, mir ist nicht einmal die Hälfte von dem aufgefallen, was die Szenerie in diesem Film hergibt. Toll auch die große Verfolgungsjagd inklusive Luftangriff zu Wagners "Ritt der Walküren"!

Ich verließ das Kino in einer richtigen Hochstimmung, was möglicherweise auch an der großartigen Musik von Hans Zimmer (noch ein alter Bekannter *g*) gelegen haben mag, die uns stilecht durch den Abspann begleitet (der übrigens auch sehr schön animiert ist). ich glaube, den Soundtrack muss ich mir holen. Die Musik ist im besten Sinne klassicher Western, mit ruhigen Parts, aber auch vielen heroischen "Ritt der Sonne entgegen"- und "Dramatisches Duell"-Momenten. Sehr schön und passend.

Möchte man unbedingt etwas Negatives suchen, könnte man sicherlich sagen, dass das letzte Drittel nicht mehr so lustig ist (schließlich kommen wir an den dramatischen Punkt der Handlung), dass die Geschichte das Rad nicht unbedingt neu erfindet und man den Bösen auf den ersten Blick erkennt. Aber ehrlich: War mir total egal! Ich hab mich super unterhalten! :)

Fazit: Gore Verbinski überrascht mit einem richtig guten, humorvollen Western voller skurriler Charaktere. Sicherlich nichts für die ganz Kleinen, aber etwas ältere Kinozuschauer dürften von "Rango" super unterhalten werden.

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