Sonntag, 13. November 2011

"Sister Act: Ein himmlisches Musical"


Der Film "Sister Act" (1992) mit Whoopi Goldberg hat ja ziemlich schnell Kultstatus erlangt, v. a. aufgrund des wirklich gelungenen Soundtracks und Goldbergs einnehmendem Spiel als Deloris van Cartier, die sich als Nonne ausgeben und in ein Kloster ziehen muss, weil sie ihren Freund bei einem Mord beobachtet hat. Kein Wunder also, dass man irgendwann auf die Idee kam, aus dem Ganzen ein Musical zu machen. Dieses hatte am 24.10.2006 in Passadena, Kalifornien Uraufführung und feierte am 02.12.2010 Deutschlandpremiere im Hamburger Operettenhaus an der Reeperbahn.

Geändert hat sich an der Handlung kaum etwas. Deloris ist Sängerin im Nachtclub ihres Freundes Curtis Shank und träumt davon ein Star zu werden. Eines Abends beobachtet sie Curtis dabei, wie er einen Mord begeht, und sie kann gerade noch rechtzeitig vor ihm fliehen. Der Polizeibeamte Eddie Fritzinger quartiert sie unter falschem Namen (Mary Clarence) in einem Nonnenkloster ein, um sie bis zum Prozessbeginn vor Curtis zu schützen. Deloris findet das alles überhaupt nicht cool, lässt sich aber dazu überreden, dem Nonnenchor Unterricht zu erteilen - dieser ist nämlich grottenschlecht. Unter Deloris' Leitung ändert sich das jedoch schlagartig und auf einmal strömen die Leute in die Kirche, um den Chor singen zu hören. Sogar die Presse lässt sich blicken. Es dauert natürlich nicht allzu lange, bis Curtis hinter Deloris' Versteck kommt. Aber er hat die Rechnung ohne die Nonnen gemacht.

Die Handlung bietet also dem Filmkenner nichts Neues. Die Musik hingegen schon, denn für das Musical komponierte Alan Menken (Disneys "Die Schöne und das Biest") komplett neue Lieder und war anscheinend unglaublich inspiriert. Die Musik schwankt zwischen gutgelauntem 70er Jahre Discosound (Donna Summer, Bee Gees), Swing, Musicalballaden und Gospel und lädt sofort zum Mitklatschen und Fußwippen ein. Wäre man nicht im steifen deutschen Musicaltheater, hätte der Saal bei der letzten Nummer vermutlich mitgetanzt. *g*

Zu den richtigen Gute-Laune-Nummern gehören ganz klar die ersten zwei Lieder von Deloris, "Zeig mir den Himmel" und "Fabelhaft, Baby!" (von denen es jeweils auch eine schöne Reprise gibt), außerdem "Singt hinauf zum Himmel" (in dem Deloris den Chor auf Vordermann bringt, s. z. B. hier), "Sonntagmorgenfieber" und natürlich das große Finale "Lass die Liebe rein". Alles zwingt beinahe zum Mitklatschen. *g*
Hinzu kommen schöne Balladen wie "Sister Act" oder das von der schüchternen Mary Robert gesungene "Die Welt, die ich nie sah", lustige Ensemble-Nummern wie "Meine Offenbarung", "Der geweihte Pfad des Herrn" (Deloris & Co. mischen eine Rockerkneipe auf) und "Schütz die Show".
Selbst Lieder, die mich vom puren Hören auf CD nicht wirklich überzeugen konnten, kamen auf der Bühne, unterstützt durch die Darstellerleistungen, hevorragend rüber. So z. B. Curtis' "Ich mach sie kalt" (was aber dennoch eines der schwächsten Lieder der Show ist), das herrlich überzogene "Hey, Schwester" von Curtis' tumben Helfern (die sich für absolut unwiderstehlich halten, das Publikum anflirten und dabei eine typische, schwülstige Bee Gees-Schnulze singen *g*) oder auch "Tief in mir" vom schüchternen Eddie, der hier mal richtig aus sich rausgehen darf.

Die Darsteller in der besuchten Vorstellung waren fast alle Zweit- oder Drittbesetzung, allerdings häte ich das nie vermutet, die Qualität war durchweg sehr gut! Da hat sich seit Stella-Zeiten deutlich was getan, aber bei den doch ziemlich hohen Preisen muss die Stage Entertainment den Zuschauern auch etwas bieten. Auch gibt es mittlerweile selbst bei ausländischen Darstellern nicht mehr die Verständlichkeitsprobleme, die früher häufig auftraten. Erfreulich.

Deloris wurde von Nyassa Alberta gespielt und sie schaffte es ohne Probleme, das Publikum mitzureißen. Sehr gut gesungen, überzeugende Leistung. Die Mutter Oberin war Barbara Krabbe und sie hatte die nötige Ernsthaftigkeit für die Rolle; außerdem genug Ausstrahlung, um nicht neben Deloris unterzugehen. Detlef Leistenschneider war Curtis Shank. Ein wenig schade fand ich es schon, da ich sehr gern Cusch Jung gesehen hätte, aber Leistenschneider ist ein mehr als adäquater Ersatz und es war schön, mal einen Darsteller zu sehen, über den ich schon sehr viel gelesen habe. Seine drei Hilfsganoven wurden von Tobias Weis (Bones, normalerweise von Tetje Mierendorf gespielt), Dave Mandell (Erstbesetzung) und Claudio Goncalves gespielt, und gerade Tobias Weis hat das Glück, in der "Hey, Schwester"-Nummer besonders glänzen zu dürfen. Wie er auf dem Boden rumrobbte und die erste Reihe anflirtete, das hatte schon was. Das Publikum hat sich jedenfalls köstlich amüsiert. *g*

Als die drei "Hauptnonnen" überzeugten Anne Hoth als schüchterne Schwester Mary Robert, Yvonne Köstler als ewig gutgelaunte Schwester Mary Patrick und Sonya Martin (Erstbesetzung) als schon etwas ältere, aber immer noch voll fitte Schwester Mary Lazarus. Sonya Martin hat das Glück, als Mary Lazarus viele der besten Gags abzubekommen und hatte das Publikum ruck-zuck auf ihrer Seite. Und so schief wie Yvonne Köstler muss man erstmal singen können... herrlich, wie sie am Anfang den kompletten Chor mit ihren falschen Tönen untergräbt!
Der Polizist Eddie wurde zunächst von Erstbesetzung Mathieu Boldron gespielt, der wirklich richtig toll war und in seiner Nummer "Tief in mir" seine große Range beweisen konnte. Nach der Pause fiel er wegen Krankheit aus und wurde durch Francisco del Solar ersetzt, der ihn gut vertrat. Auch Uwe Dreves als Monsignore Howard, Kati Heidebrecht als Kay-T und Alex Avenell als LaRosa machten ihre Sache in den eher kleinen Rollen gut.

Über Musik und Darsteller kann ich nicht meckern, vielleicht dann bei den technischen Aspekten? Nein, auch nicht. Das Bühnenbild war beeindruckend; es gibt eine Drehbühne, welche schnelle Szenenwechsel erlaubt und bei der Verfolgungsjagd gegen Ende richtig gut eingesetzt wird. Das Ganze sieht sehr aufwendig aus, v. a. das Finalbühnenbild mit der Mutter Gottes-Figur im Hintergrund und den schönen bunten Fenstern.
Auch die Kostüme sind sehr gelungen, von Deloris' ziemlich, öhm, interessanten Nachtclubsängerinnen-Outfit zu Beginn (Die Stiefel! Die Jacke! Die Hose! Einfach schrecklich! *g*), ihrem wunderbaren silbernen Abendkleid im Finale und den immer aufwendiger werdenden Ordensgewändern der Nonnen (im Finale silbern und sehr glitzerig). Auch die Ausstattung ist toll, v. a. Curtis' roter Sessel. *g*

Die besuchte Vorstellung war ausverkauft, es herrschte eine wirklich gute Stimmung und am Ende kam es sehr schnell zu Standing Ovations und lang anhaltendem Jubel. Außerdem war es sehr warm, was zum ein oder anderen kleinen Gag durch Monsignore Howard führte ("Schön, dass ihr so zahlreich erschienen seid, meine Schäfchen! Hui, mein ich das nur oder ist es heute richtig warm hier?"). Wir waren jedenfalls begeistert und würden "Sister Act" jederzeit wieder besuchen.

Alles in Allem ist "Sister Act" ein wunderbares Gute-Laune-Musical mit mitreißender Musik, tollen Darstellern, sehr viel Humor und beeindruckender Ausstattung. Uneingeschränkt empfehlenswert!