Samstag, 5. Januar 2013

"Life of Pi": Schiffbruch mit Tiger jetzt auch im Kino


Yann Martels mit diversen Preisen ausgezeichnet Roman "Schiffbruch mit Tiger" galt lange als unverfilmbar, ganz einfach weil der Großteil der Handlung auf einem kleinen Rettungsboot spielt und einen bengalischen Tiger beinhaltet. Aber wie das so mit "unverfilmbaren" Filmen ist, aufgrund der heutigen Technik ist doch deutlich mehr machbar als man zuerst für möglich gehalten hat (s. z. B. "Der Herr der Ringe").
Und so bin ich Ang Lee doch sehr dankbar, dass er sich Martels Buch angenommen hat. Nachdem diverse Regisseure über die Jahre mit der Verfilmung des Romans in Verbindung gebracht worden waren (u. a. Alfonso Cuarón und M. Night Shyamalan ), ist es nun Lee geworden, der schon oft ein Händchen für Literaturadaptionen bewiesen hat ("Sinn & Sinnlichkeit", "Brokeback Mountain") - und "Schiffbruch mit Tiger" ist in der Tat genau beim Richtigen gelandet.

Der Film hält sich sehr eng ans Buch. Der unter Schreibblockade leidende Buchautor Martel (Rafe Spall) und besucht den nach Kanada ausgewanderten Inder Pi Patel (Irrfan Khan). Dieser habe eine unglaubliche Geschichte zu erzählen, so hörte er. Patel wuchs in Pondicherry auf, wo sein Vater einen Zoo unterhielt, und trat als Jugendlicher (Suraj Sharma) sowohl dem Christentum als auch dem Islam bei, ganz einfach, weil es für ihn Sinn machte. Aufgrund der gesellschaftlichen Unruhen beschließt die Familie mitsamt der Zootiere nach Kanada auszuwandern. Auf der Überfahrt gerät das Schiff in einen Sturm und sinkt. Allein Pi kann sich auf eines der Rettungsboote retten - zusammen mit einem verletzten Zebra, einem Orange Utan, einer Hyäne und dem Tiger Richard Parker. Die Zahl der Tiere wird schnell dezimiert und was für Pi folgt sind 227 Tage auf See, in gesellschaft eines Tigers.


Wie auch im Buch nimmt sich der Film die Zeit, um uns den jungen Pi näher zu bringen. Manch einer mag diese Vorgeschichte zu lang finden ("Wann kommt denn endlich der Tiger?"), aber es ist notwendig um einerseits zu verstehen, warum sich Pi so verhält wie er es tut, und andererseits, damit der Zuschauer überhaupt eine Verbindung zum Hauptcharakter aufbauen kann. Ansonsten ließe einen der Schiffbruch vermutlich ziemlich kalt. Auch Pis starker Glauben wird immer wieder am Rande thematisiert, und sein Überlebenskamp auf See gerät gleichzeitig zum ultimativen Glaubenstest.

Die optische Umsetzung ist eine wahre Augenweide. Der Untergang der Tsimtsum im Pazifiksturm ist bildgewaltig inszeniert und gerade für die anschließende Zeit auf dem Meer findet Lee poetische Bilder, die die Schönheit, aber auch die unglaubliche Weite des Ozeans perfekt widerspiegeln. Fluoreszierende Fische und Wale, ein Tauchgang in die Tiefen des Mariannengrabens und eine von Erdmännchen bevölkerte Algeninsel - Lee findet die richtigen Bildern, um den Zuschauer immer wieder staunen zu lassen. Das sehr gute 3D unterstützt diesen Effekt nur.
Tiger Richard Parker ist fantastisch animiert und wirkt sehr real. Wie er und Pi sich aneinander gewöhnen und eine Art Zweckgemeinschaft eingehen, ist spannend und hin und wieder sogar recht lustig. Wie Pi selbst an einer Stelle sagt, ist der Tiger es, der ihn im Grunde dazu zwingt, seinen Verstand nicht zu verlieren und irgendwie durchzuhalten.


An den Leistungen der Schauspieler gibt es nichts zu meckern. Rafe Spall und Irrfan Khan geben ein gutes "Interviewpaar" ab; man glaubt Spall, dass sein Charakter von der Geschichte Pis fasziniert ist; und Khan bringt die passend ruhige und nachdenkliche Art mit, die den erwachsenen Pi ausmacht, der die Geschehnisse nun mit der nötigen Distanz betrachten kann. Newcomer Suraj Sharma als jugendlicher Pi hat einen Großteil des Films zu tragen und das macht er überzeugend und sympathisch. Vielleicht hätte ich mir hin und wieder noch ein wenig mehr Intensität gewünscht, allerdings hat der Roman natürlich den Vorteil, dass er sich sehr viel mehr Zeit für das Überleben auf See nehmen kann und wir auch mehr über Pis Gedanken erfahren.

Dankbar bin ich den Machern, dass sie sich bei den Geschehnisse im Rettungsboot zu Beginn ziemlich zurückhalten. Das war im Roman doch sehr viel deutlicher dargestellt worden und nichts für Zartbesaitete. Schön auch, dass die Coda am Ende (das Gespräch mit den Vertretern der Versicherungsgesellschaft) eingeschlossen wurde. Dieser Teil ist im Roman nicht jedermanns Sache, aber für mich unterstreicht er die endgültige Aussage deutlicher (denn nicht vergessen, am Anfang steht die Behauptung, dass der Leser nach dieser Geschichte an Gott glaubt). Und letztlich kann auch im Film jeder selbst entscheiden, was er glauben möchte.

Fazit: Ob man am Ende nun (mehr) an Gott glaubt oder nicht, entgehen lassen sollte man sich "Life of Pi" auf keinen Fall. Der Film und seine wunderschönen Bilder entwickeln einen richtigen Sog, der den Zuschauer eintauchen lässt in Pi Patels unglaubliche Geschichte. 


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Dienstag, 1. Januar 2013

Auf ein Neues: Mein Kinojahr 2012

Ein frohes Neues Jahr 2013 Euch allen! Bevor ich meine "Life of Pi"-Kritik auf die Welt loslasse, blicke ich noch einmal zurück auf das vergangene Jahr und was das Kino so alles für mich bereithielt.

Tja, ein wenig sind die Kinobesuche für mich zurückgegangen: Es zog mich 40 Mal ins Kino (2011: 43), allerdings handelt es sich dabei um 36 verschiedene Filme, wohingegen ich 2011 allein 8 Besuche auf das Konto von zwei Filmen gingen. *g* Dieses Jahr sah ich nur vier Filme zweimal im Kino und laut Quartalen verteilt es sich so: 6 Besuche / 11 Besuche / 11 Besuche / 12 Besuche.
Von diesen 40 Besuchen gehen  28 auf mein Heimatkino, die anderen verteilen sich auf zwei weitere Kinos mehr oder weniger in der Nähe.

Der beste Film
Dieses Jahr geht der Preis an den besten Sommerblockbuster, "The Avengers". Der Film hätte ein komplettes Desaster werden können, aber glücklicherweise hatte Joss Whedon das richtige Händchen und hat perfektes Popcornkino abgeliefert. Tolle Charaktere, zwischen denen die Chemie stimmt, beeindruckende Actionszenen und eine gute Portion Humor - so stell ich mir gutes Entertainment vor. Auch nach mehrmaligem Ansehen büßt "The Avengers" nichts von seinem Unterhaltungswert ein, was man auch nicht über jeden Film sagen kann.
Ebenfalls weit oben auf meiner Jahres-Hitliste finden sich "Cloud Atlas", "Life of Pi", "Der Hobbit", und "Dame König As Spion".


Der schlechteste Film
 Es gibt die offensichtlichen Vertreter in dieser Kategorie wie "Breaking Dawn 2" oder "Snow White & the Huntsman", die wirklich beide auf ihre Weise schlecht sind (schlecht inszeniert und langweilig, oder komplett unlogisch und abgekupfert). Aber wirklich richtig aufgeregt im Sinne von "Was für ein ätzend-nerviger Film, und dabei hätte der so gut sein können!" hat mich Til Schweigers "Schutzengel". Gut aussehende Action, aber so eine Unmenge an schlechten Klischees und miesen Dialogszenen, die sich gegen Ende ziehen wie ein richtig unkaputtbarere Kaugummi. Und dann natürlich ein komplett unglaubwürdiges Zuckerguss-Ende!
"Schutzengel" ist der Film, bei dem ich danach am meisten rumgemeckert habe. Die anderen beiden Filme haben mir wenigstens auf der "Wow, ist das ein Mist!"-Ebene noch Spaß gemacht, aber hier war es nur ein genervtes Augenrollen und "Mach voran!".


Der lustigste Film
Der Preis geht an "Ted", Mark Wahlbergs fluchenden Teddybären. Sicher, den Haudrauf-Humor muss man mögen, aber dann hat man eine gute Zeit. Ich weiß nicht, wie gut sich der Film bei mehrmaligem Sehen hält, aber im Kino war er für mich dieses Jahr der Film mit der höchsten Lachfrequenz und mit einigen der besten Cameos des Jahres.
Viel gelacht habe ich aber auch beim Überraschungshit "Ziemlich beste Freunde", "Ice Age 4" (dank der herrlichen Faultier-Oma, den Kampfhamstern und Scrat, nicht wegen der langweiligen Teeniedrama-Nebenhandlung) und Disneys "Ralph reicht's" (ein herrlich im wahrsten Sinne des Wortes zuckriger Film inklusive einer "hammerharten Braut" *g*).


Der emotionalste Film
Auch wenn "Life of Pi" mich am Ende doch das ein oder andere Mal schlucken ließ, fand ich "50/50 - Freunde fürs (Über)Leben" doch am emotional involvierendsten. Joseph Gordon-Levitt ist hervorragend als krebskranker Mittzwanziger, der irgendwie versucht, mit der Situation klarzukommen. Anna Kendrick liefert eine tolle Leistung als seine überforderte Psychologin, und Seth Rogen ist als beste Freund ehrlich, manchmal arschig, aber immer loyal. Da das Ganze auf einer wahren Geschichte basiert, ist der Ausgang  klar, und doch war ich einfach "drin" in diesem Film.


Die größte positive Überraschung
Zwei Filme haben mich wirklich richtig überrascht: "Cabin in the Woods" und "The Amazing Spider-Man". Während ersterer einfach eine herrlich erfrischende Abwechslung im Horrorgenre ist, zeigt letzterer uns einen etwas düstereren Peter Parker, der mit Andrew Garfield perfekt besetzt wurde. Dafür, dass das Reboot der "Spider-Man"-Serie eigentlich komplett überflüssig war, ist dieser Film wirklich richtig gut gelungen.


Die größte Enttäuschung
Es schmerzt mich ein wenig, dies sagen zu müssen, aber in dieser Kategorie ist "Dark Shadows" ganz vorne. Ein Vampirfilm von Tim Burton mit Johnny Depp? Na, das muss doch fantastisch werden! Leider weit gefehlt. Ich verließ einen Burton-Film noch nie so gleichgültig wie diesen. Da hat man wohl zuviel auf einmal gewollt und sich ziemlich verzettelt. Auch Depp hat sich schon mal mehr in eine Rolle reingehängt.


Das beste Publikum
Da geht mein Lob zunächst sowohl an das Publikum bei meinem zweiten "The Avengers"-Besuch als auch an das aus "Ted". Beide Male herrschte eine wirklich gute Stimmung - alle hatten offensichtlich richtig Spaß an dem Film, ohne irgendwie dabei zu ausgelassen oder störend zu werden. Schön.
Ähnlich unterhaltsam war das Publikum in "Breaking Dawn 2" - offensichtlich zum Großteil aus Fans bestehend, die gut mitgingen und den bescheuerten Twist entsprechend kommentierten.
Aus einem anderen Grund wirklich gut war das Publikum in "The Dark Knight Rises" - sehr angespannt und voll vom Film gefangen. Keinerlei Unruhe trotz der langen Filmdauer. Beinahe so gut wie die Meute damals in "Inception". *g*
Ehrennennung für das Mädel in der Reihe vor uns in "The Artist", die am Ende nach der großen Shownummer losklatschte.


Das schlechteste Publikum
Glücklicherweise blieb mir dieses Jahr ein insgesamt mieses Publikum erspart. Dafür gab es wieder ein paar "herausragende" Individuen...
Platz 1 an die Idioten ein paar Reihen hinter uns in "Dame König As Spion", die offensichtlich keinen Plan davon hatten, welche Art Film sie da gerade gucken, und glücklicherweise nach einer halben Stunde mit einer "freundlichen" Schlussbemerkung den Saal verließen. Kein Mitleid, selbst Schuld.
Platz 2 an den Typen neben mir in "Snow White & the Huntsman", der gefühlt alle 5 Minuten die Uhrzeit checkte, sich andauernd dreist halb in meinen Sitz lehnte und möglicherweise ein Atemproblem hatte. Wenn du den Film so schrecklich findest, dann geh.
Platz 3 an das Blag neben mir in "Die Tribute von Panem", das die erste Stunde des Films (weil sooo langweilig) damit verbrachte, ständig SMS mit irgendwem auszutauschen. Danke, Apple, für das extrem helle Handy-Display.


Das erinnert mich an....
Nun ja, der komplette "Snow White"-Film erinnerte mich an andere Filme. *g* Am dreistesten waren jedoch die ganzen "Der Herr der Ringe"-Anleihen.
Auch schön: Wir lernen in "Skyfall" den neuen Quartiermeister (Ben Whishaw) kennen, und uns fiel spontan nur eins dazu ein: Sherlock Holmes hat also auch einen jüngeren Bruder! Und ich kann mir nicht helfen, aber Fix-it Felix aus "Ralph reichts" erinnert mich an Martin Freeman. Keine Ahnung warum.
Aber manchmal stehe ich auch komplett auf dem Schlauch. So wie in "The Descendants", wo ich einfach nicht drauf kommen wollte, an wen mich dieser eine komische Schauspieler erinnert - bis mir nach dem Film mitgeteilt wurde, dass das Timothy Spall war. Ich habe ihn nicht erkannt. Er sah so... normal aus.


Besondere Momente
Da gab's dieses Jahr nur eine Sache, und das war, ein komplettes Kino bei "Cabin in the Woods" für sich zu haben. Sehr cool - wie ein DVD-Abend, nur in größer. *g


Die "Ich bin so intellektuell"-Ecke
Ich habe dieses Jahr nicht nur einen Schwarzweiß-Film gesehen, sondern zwei! Yeah! Einer davon war ein Stummfilm ("The Artist", einfach ganz wunderbar) und der andere ein französischer Arthouse-Film mit Untertiteln ("Kill me please", ich bin nach wie vor nicht sicher, was ich da gesehen habe). Hinzu kommt natürlich noch "Die Entdeckung des Hugo Cabret", der ja immerhin eine Liebeserklärung an den Beginn des Kinos ist, auch wenn er sich irgendwie in diversen Nebenhandlungen verliert. Aber Scorsese ist ja trotzdem immer ganz toll oder so.

Und damit sind wir am Ende meines Jahresrückblickes angekommen.

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