Sonntag, 30. Januar 2011

Black Swan: Ein Psycho-Horrorthriller. Mit Ballett.

Oh. Mein. Gott. Im Nachhinein bin ich mir nicht sicher, ob ich diesen Film überhaupt angeschaut hätte, wenn mir bewusst gewesen wäre, was für Szenen "Black Swan" beinhaltet. Ich habe mal wieder festgestellt, dass es mir sehr schwer fällt, mit dieser Art von blutigen Szenen umzugehen, weil sie nicht "over the top" dargestellt werden (wie z. B. in Zombieland), sondern realistisch. Und ganz ehrlich, man mag mich eine Memme nennen, aber ich habe bei einigen Szenen nicht hingeschaut. Bereits eine ganz am Anfang vorkommende Szene mit blutigen Fingern verfolgt mich immer noch. Meine Güte...

Okay, schnell etwas zur Handlung, bevor ich wieder in Schockstarre verfalle.
Ballerina Nina (Natalie Portman) bekommt die Chance, die Hauptrolle in einer Neuinszenierung von Tschaikovskys "Schwanensee" zu tanzen. Damit wird ein Traum für sie wahr. Nur stellt Regisseur Thomas (Vincent Cassel) sie vor eine ungeahnte Herausforderung: sie soll nicht nur die Rolle des fragilen weißen Schwans tanzen, für die sie die Idealbesetzung ist, sondern auch die des verführerischen schwarzen Schwans. Der Druck, die Anforderungen zu erfüllen, lässt Ninas Realitätssinn immer weiter schwinden und sie beginnt, in der neu zur Company gestoßenen, lebenslustigen Lily (Mila Kunis) eine Rivalin zu sehen, die ihren Platz einnehmen will. Bald wird es auch für den Zuschauer schwierig zu unterscheiden, was Wahnvorstellung und was Realität ist...

Darren Aronofsky (The Wrestler) hat mit Black Swan einen eindrucksvollen Psychothriller mit Horrorelementen abgeliefert, der dazu noch mit großartigen Tanzszenen aufwarten kann. Er spielt mit den Zuschauern, lässt sie des Öfteren lange im Dunkeln tappen, wie weit Ninas Wahnvorstellungen gehen. Der Film ist, man kann es so deutlich sagen, ein kleiner Mindfuck.
Ballett ist mit Sicherheit ein guter Hintergrund, um diese Charakterstudie einer jungen Frau, die unter Kontroll- und Perfektionszwang leidet und daran schließlich zerbricht, zu präsentieren. Ich glaube nicht, dass die Realität im Ballett so aussieht - es mag sicherlich vorkommen, dass Tänzer und Tänzerinnen dort an ihre Grenzen gehen, aber sich psychisch so kaputt zu machen, wäre kontraproduktiv. Wer gut genug für die großen Hauptrollen ist, der tanzt aus dem Herzen heraus und nicht, weil er von Kindesbeinen an dieses Leben als einzig wahres vorgepredigt bekommen hat.

Natalie Portman spielt die Nina absolut glaubwürdig und einnehmend; sie bringt die Verletzlichkeit, die Verzweiflung dieses Charakters sehr gut herüber. Wahrscheinlich die beste Darbietung ihrer Karriere und der Oscar dürfte ihr dafür sicher sein. Nina hat wohl nie ein wirkliches Leben gehabt - sie lebt den Traum ihrer Mutter und ist besessen davon, alles immer absolut perfekt zu machen. Und dann kommt die Rolle des schwarzen Schwans, in der sie erotisch, verrucht, verführerisch sein soll - woran sie scheitert. Wie soll sie es auch wissen - für ihre Mutter ist sie immer noch das kleine "liebe Mädchen", wohl auf ewig zwölf Jahre alt, und Nina passt sich dem an.
Dann kommt die von Mila Kunis wunderbar gespielte Lily, das sprühende Leben in Person. Sie ist genau das, was Nina versucht zu sein und für die Rolle des schwarzen Schwans sein muss. Lily überredet Nina zu einer wilden Partynacht, in der Nina wohl das erste Mal im Leben einfach Spaß hat.

Interessanter ist jedoch in dieser Nina-Lily-Dynamik, wie Nina sich immer wieder auf Lily projiziert und sich buchstäblich an ihrer Stelle sieht. Oder Lily sieht, obwohl sie gar nicht da ist...
Da bietet Black Swan großartiges Analyse-Potential. Genauso wie in den Momenten, wenn Nina Blut an ihren Händen sieht oder sich manisch die Fingernägel immer kürzer schneidet, um sich nicht mehr den Rücken aufzukratzen (eines der üblichen Ventile, wenn man mit seelischem Druck nicht mehr umgehen kann) - oder denkt, ihr wüchsen Schwanenflügel. Für mich waren einige dieser Szenen hart an der Grenze des Erträglichen und ich habe mehr als einmal weggeschaut.
Mir gefiel auch der Einsatz von diversen anderen Stilmitteln, die Ninas fragile Psyche unterstrichen, sehr gut - Spiegelbilder, die ein Eigenleben führen, kichernde Frauenstimmen aus dem Nichts, sprechende Bilder... psychologischer Horror, der sicherlich nichts für sensible Gemüter ist.

Alle anderen Schauspieler schlagen sich ebenfalls hervorragend in ihren Rollen. Vincent Cassel spielt Thomas Leroy, der in Nina großes Potential sieht und sie mit teilweise fragwürdigen Methoden aus der Reserve locken will, sehr überzeugend und - passend- ein bisschen unsympathisch.
Barbara Hershey als Ninas Mutter ließ uns sehr schnell zu dem Schluss kommen, dass Nina ganz dringend eine eigene Wohnung braucht. Hershey ist eine Über-Mutter, die ihre Tochter im Ballett brillieren sehen will (was ihr selbst in der Vergangenheit verwehrt blieb) und dabei die Persönlichkeit ihrer Tochter komplett unterdrückt, wohl ohne sich dessen bewusst zu sein.
Winona Ryder legt in der Nebenrolle des früheren Stars der Company, Beth, die nun wegen Nina ausrangiert wurde, eine beklemmend-gute Leistung hin.

Kommen wir noch kurz zum technischen Aspekt. Clint Mansell versteht es meisterhaft, Tschaikovskys Musik zu nehmen und sie den Bedürfnissen des Films anzupassen. Seine Eigenkompositionen fügen sich ebenfalls sehr gut ein und liefern an den entsprechenden Stellen wirksame Schockeffekte (verdammt, man fällt auch immer wieder darauf rein!).
Die Kameraarbeit und der Schnitt sind ebenfalls ganz wunderbar und unterstützen die Handlung perfekt - besonders in Erinnerung bleiben sicherlich die hysterisch geschnittene Partynacht-Szene sowie die Szenen aus dem 2. und 3. Akt der "Schwanensee"-Aufführung. Und dieser eine Spiegel-Shot. *schauder* Außerdem setzen sie die tollen Choreographien fantastisch in Szene.

Tja. Ein beeindruckender Film. Meine Freundinnen und ich waren beim Beginn des Abspann nichts besonders kreativ in unseren Meinungsäußerungen. Es beschränkte sich auf "Ach du scheiße!", "Oh mein Gott!", "War das krank!" und "Mir ist irgendwie ein bisschen schlecht." *g* Der Saal war gut besucht, mit dem Schwerpunkt auf Leuten zwischen 30 und 50 Jahren. Bin ich gar nicht mehr gewöhnt, so ein "altes" Publikum. *g* Ein paar vereinzelte Jugendliche hatten sich auch in den Film verirrt, verhielten sich aber bis auf das Gekichere bei der Masturbationsszene sowie der Portman/Kunis-Bettszene sehr gut. Waren möglicherweise auch ein wenig geschockt - ich mein, das war doch schon recht viel Blut für einen Ballettfilm...

Danach habe ich den Film mit meiner besten Freundin noch ausgiebig diskutiert, da sie darüber sprechen musste. Sie hat fast die ganze Zeit hingeschaut und festgestellt, dass genau diese Art psychischer Horror, der sich aber in körperlichen Verletzungen äußert, nichts für sie ist. Kann ich nachvollziehen. Ich fand manche Szenen auch sehr herausfordernd und wie gesagt, ich habe längst nicht immer hingeschaut (oh Gott, die Szene mit der Nagelfeile...). Nicht, dass hier der Eindruck aufkäme, wir würden den Film nicht gut finden - ganz im Gegenteil. Der Film ist hervorragend. Nur eben auch sehr hart.

Fazit: Großartiges Schaupielerkino, wunderschöner Tanzfilm und Psychothriller mit Horrorelementen in einem. Sicherlich kein Film für jedermann, aber einen Kinobesuch absolut wert.

Samstag, 22. Januar 2011

3 Kurzkritiken: Idyllisches England, mondäner Tanzclub und eine stechende Biene (oder so)

Eigentlich hatte ich vor, diesen Beitrag gestern Abend zu schreiben. Ich ging davon aus, dass ich nach diesem anstregenden Tag (Arbeit, Klausur, Kino) wohl noch viel zu aufgekratzt sein würde, um gleich ins Bett zu gehen. ... Ich bin schon wärhend der Heimfahrt fast eingeschlafen und hab die Kurzkritiken klugerweise auf heute verschoben. Jetzt bin ich sogar fast wach!

Edit einen halben Tag später: Ich sollte nicht mehr unter Zeitdruck posten - das führt zu exponentiell steigenden Tippfehlern.*g*


Immer Drama mit Tamara

Die Trailer habe ich nicht gesehen. Von den Kommentaren der anwesenden Teenies kann ich aber davon ausgehen, dass der Film wohl eher im Stil einer amerikanischen Highschool-Komödie verkauft wurde, billige Sexwitzchen inklusive. Damit hat der Film von Stephen Frears ("Die Queen") aber nicht gerade viel zu tun.

Tamara Drewe (Gemma Arterton) kommt nach jahrelanger Abwesenheit aus London zurück in ihr Heimatdorf, um das Haus ihrer Eltern für den Verkauf herzurichten. Damals war sie das hässliche Entlein, aber nach einer Nasenkorrektur ist sie nun ein echter Hingucker (die Hotpants helfen natürlich auch). Ihre Rückkehr bringt die ländliche Dorfidylle ganz schön durcheinander - der sowieso schon untreue Bestsellerautor (Rogar Allam) will sie, der Drummer einer angesagten Rockband (Dominic Cooper) ebenso, und ihr Jugendfreund (Luke Evans) ist ja auch noch da. Sagen wir es so: Am Ende bekommt jeder, was er verdient.

Frears liefert hier eine ansehnliche Satire über die ach so schöne Dorfidylle und die Abgründe der Einwohner. Ehebruch, Lästereien, Perspektivlosigkeit - kein Charakter ist hier wirklich ohne Fehl und Tadel. Den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen wohl die beiden Teeniemädels (Jessica Barden und Charlotte Christie), die sich zu Tode langweilen in diesem Kaff, wo nie etwas passiert, und dann in ihrem jugendlichen Leichtsinn das Chaos um Tamara Drewe erst wirklich ins Rollen bringen. Diese hat zwar auch ihre Fehler und trifft falsche Entscheidungen, ist aber dennoch eine sympathische Person. Gemma Arterton gefiel mir jedenfalls sehr gut in dieser Rolle.

Sicherlich keine große Kunst, aber eine schön bissige, gelungene britische Komödie.


Burlesque

Sagen wir es so: Die Golden Globe-Nominierungen lassen sich wohl damit erklären, dass Burlesque das einzige Musical der letzten Saison war und außerdem Cher mitspielt. Was auch erklärt, warum die von ihr gesungene Nummer "You haven't seen the last of me" den Preis für den besten Song einheimste und nicht "I see the light" aus Rapunzel. Die Aussage dieses Liedes hätte man auch in zwei Zeilen Dialog packen können...

Ali (Christina Aguilera) lebt in einem Kaff in Iowa und will endlich da raus und auf die große Bühne. Also haut sie ab nach Los Angeles und landet auf der Suche nach Arbeit in der Burlesque Lounge von Tess (Cher). Der Club hat zwar schon bessere Zeiten gesehen (und Tess steht kurz davor, ihn wegen hoher Schulden an die Bank zu verlieren), aber Ali ist fasziniert. Sie darf als Kellnerin anfangen, und als der Star der Show, Nikki (Kristen Bell), ausfällt, bekommt sie die Möglichkeit einzuspringen. Was Nikki natürlich gar nicht gern sieht. Ali wird dank ihrer großartigen Stimme und ihrer sexy Bühnenausstrahlung die Hauptattraktion des Clubs und ein reicher Stammkunde (Eric Dane) will sie groß rausbringen. Aber was wird dann aus dem Club? Und findet sie den Barkeeper Jack (Cam Gigandet) nicht viel anziehender?

Die Handlung ist natürlich vorhersehbar und man kann die einzelnen Punkte schön der Reihe nach auf der Liste abhaken: Einfaches Mädchen will "mehr" - Check. Trifft Mentorin - Check. Bekommt Chance - Check. Entpuppt sich als Star - Check. Probleme treten auf - Check. Herzschmerz - Check. Alles wird gut - Check. Und doch hat der Film es geschafft, mich gut zu unterhalten. Ich bin ja auch nicht wegen der Handlung reingegangen - dass die nicht gerade den Preis für Originalität gewinnen würde, war klar. *g* Ich wollte schöne Leute in tollen Tanznummern mit coolen Liedern sehen, ein bisschen Glitzer und Glamour, und das hab ich bekommen.

Christina Aguilera war so klug sich eine Rolle zu suchen, bei der sie v. a. das machen muss, was sie kann: Singen und tanzen. Ansonsten erschien sie mir in ihrer Rolle aber durchaus glaubwürdig. Die beiden um ihre Gunst buhlenden Männer halten sich auch wacker (jetzt weiß ich auch wer "McDreamy" ist; das war nämlich die erste Reaktion meiner Freundin, als Eric Dane seinen Auftritt hatte.) und bieten dem weiblichen Publikum ebenfalls was für's Auge (die Männer bekommen genug spärlich bekleidete Damen in Corsagen und Spitzenhöschen, das muss reichen), aber die Show stiehlt Stanley Tucci als Tess' rechte Hand. Er bekommt die meisten Lacher und ist einfach liebenswert fies. *g*

Die Tanzszenen sind gut inszeniert (auch wenn man sich schon fragt, wo die riesen Bühne und die ganzen Requisten auf einmal herkommen, wenn die Aguilera ihre Auftritte hat); die Choreographie nimmt v. a. gerne Anleihen bei Bob Fosse (die Stuhl-Choreographie aus "Express" war beinahe 1 zu 1 "Mein Herr"), aber stellenweise fühlte ich mich auch an Jerome Robbins' Choreographie für Gipsy erinnert. Sieht auf jeden Fall gut aus und wird von der Kamera gut eingefangen.

Ganz einfach: Wer Filme wie Coyote Ugly, Center Stage oder Step up mochte, wird auch Burlesque mögen.

The Green Hornet

Ein Superheldenfilm, der mal nicht im Sommer startet, sondern uns im kalten Januar etwas einheizen möchte. Regie führte Michel Gondry, der bisher eher durch mainstream-abseitigere Filme wie Vergiss mein nicht auf sich aufmerksam machte. Seltsame Wahl. Aber wie sich herausstellte, eine gute.

Britt Reid (Seth Rogen) ist Sohn eines Zeitungsmoguls und hat bisher ein wildes Partyleben geführt. Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters soll er nun die Zeitung übernehmen. Das tut er mit sehr wenig Begeisterung, freundet sich aber immerhin mit dem Automechaniker seines Vaters, Kato (Jay Chou), an. Der ist nicht nur ein As darin, Autos in wahre Festungen umzurüsten, er kann auch noch hervorragend Kung Fu und kocht einen exzellenten Kaffee. Als die beiden einen Überfall vereiteln, beschließt Britt, dass sie nun als Superhelden auftreten könnten - allerdings ohne von der Öffentlichkeit als Helden wahrgenommen zu werden (das wäre langweilig und würde die Bösen sofort wissen lassen, dass sie die Guten sind). Britts und Katos Aktivitäten bleiben jedoch dem großen Gangsterboss Chudnofsky (Christoph Waltz) nicht verborgen - und sie gefallen ihm gar nicht.

Seth Rogen erscheint erst einmal wie eine unpassende Wahl für einen Superhelden. Da Britt aber nur ein ganz normaler Kerl ohne besondere Talente ist, passt Rogen doch wieder irgendwie sehr gut - außerdem ist Kato ja so nett, ihnen ein Auto zu bauen, das selbst Batman neidisch machen könnte. Kato ist im Grunde der Star des Films - er ist derjenige, der die Bösen platt macht, der sich um die Technik kümmert, der es einfach drauf hat. Besonders schön wird es, wenn die Eifersüchtelein zwischen Britt und Kato sich immer weiter hochschaukeln (auch, weil beide Britts neue Sekretärin - gespielt von Cameron Diaz - für sich gewinnen wollen).
Christoph Waltz ist grandios als Gangster Chudnofsky, den keiner so wirklich gruselig findet, was ihm natürlich zu denken gibt. Waltz spielt auch diesen Bösewicht, der wohl ein russischstämmiger Österreicher oder so ist, mit einer gewissen Portion Charme, was gerade in einer wilden Verfolgungsjagd gegen Schluss zu einem der besten Lacher der Films führt.
Und schön mich im Nachhinein bestätigt zu wissen: Das war also tatsächlich James Franco in einem Cameoauftritt! Sehr cool!

Optisch macht The Green Hornet einiges her; schnelle, unterhaltsame Kampfszenen, schöne Effekte, gut eingesetztes 3D (erst in der Nachbearbeitung hinzugefügt und nicht übermäßig spektakulär, aber - es geht also doch!), eine winzige Prise Trash - und ein sehr bunter und irgendwie cooler Abspann (den muss man jetzt auch einfach mal erwähnen).

Sehr positive Überraschung - diesen Superhelden schau ich mir auch gern in einer Fortsetzung an.


Ähnliche Artikel:

Montag, 10. Januar 2011

Yann Martels "Schiffbruch mit Tiger"


Ich bin gerade in der passenden Stimmung, also folgt mal wieder eine Buchrezension. "Schiffbruch mit Tiger" wurde 2002 mit dem Booker-Preis, dem wichtigsten britischen Buchpreis, ausgezeichnet und was für ein erfrischend anderes Buch man zur Abwechslung gewählt hat!

Die Hauptfigur des Buches ist der indische Junge Piscine Molitor Patel, kurz Pi genannt. Als Sohn eines Zoobesitzers in Pondicherry aufgewachsen, wurde ihm die Faszination für alle möglichen Wildtiere sozusagen in die Wiege gelegt. Als Jugendlicher fängt er dann an, sich für Glaube und Religion zu interessieren - ein wenig seltsam, sind doch seine Eltern nicht gerade religiös. Pi jedoch ist so fasziniert, dass er zu seinem Hindu-Glauben auch noch den des Islam und des Christentums annimmt. Aufgrund schwieriger politischer Verhältnisse beschließt sein Vater, mit der Familie und diversen Zootieren nach Kanada auszuwandern. Unglücklicherweise sinkt das Schiff nach nicht allzu langer Fahrt mitten im Pazifik - einziger menschlicher Überlebender ist der mittlerweile sechzehnjährige Pi. Vollkommen allein ist er jedoch nicht - das Rettungsboot muss er sich mit einem ausgewachsenen bengalischen Tiger teilen.

Klingt alles irgendwie reichlich abgedreht. Ein Teenie, der gleich drei Religionen angehört, sitzt mit einem Tiger in einem Rettungsboot mitten im Pazifik. Und doch funktioniert es. Ich hatte nicht erwartet, dass das Buch mich so sehr fesseln könnte wie es das dann letztendlich tat.

"Schiffbruch mit Tiger" ist in drei ungleiche Abschnitte unterteilt. Der erste beschreibt Pis Jugend in Pondicherry; man erfährt, welche Menschen ihn beeinflusst haben, wie es dazu kam, dass er gleich drei Religionen annahm, was er durch die Zootiere alles über Wildtiere im Allgemeinen lernte. Gerade der religiöse Aspekt des Buches hatte mich im Vorhinein abgeschreckt. Solche Themen kommen ja gern mit erhobenem Zeigefinger. Aber Martel stellt keine Religion als die "bessere" heraus und ein Streitgespräch zwischen Predigern der drei großen Weltreligionen führt die uralten Vorurteile sogar wunderbar vor.
Dieser Abschnitt erscheint manchen Leuten wohl etwas langatmig (wenn man nach diversen Kritiken geht) - ich fand ihn jedoch sehr angenehm zu lesen. Außerdem sind viele Informationen für spätere Ereignisse wichtig; manche Kleingkeit ergibt sogar erst am Ende vollkommen Sinn.

Abschnitt zwei ist der längste und behandelt Pis Zeit als Schiffbrüchiger. Man möchte meinen, dass gerade dieser Abschnitt nicht besonders spannend sein kann - Pi treibt in einem Boot auf dem Meer, um ihn rum nichts als Wasser, über ihm der unendliche Himmel, und mit im Boot ein Tiger. Aber Martel schafft es, dass gerade dieser Abschnitt besonders interessant und spannend wird. Pis tiefes Innenleben wird nicht offengelegt, und doch hat man das Gefühl, bei ihm zu sitzen unter der sengenden Sonne, ausgemergelt und fast verdurstet. Die Verzweiflungs Pis wird greifbar, wie der Überlebenswille ihn dazu zwingt, sich immer wieder selbst zu überwinden.

Der letzte Abschnitt ist nur sehr kurz und spielt nach Pis Rückkehr in die Zivilisation (damit verrate ich nicht zu viel, der Ausgang der Handlung ist von Anfang an kein Geheimnis - und gerade deshalb ist es umso erstaundlicher, dass Martel die Spannung im Mittelteil halten kann). Und was für eine überraschende Wendung eben in diesem Kapitel noch auf den Leser wartet - sehr gut! Das Ende regt zum Nachdenken an - und ich hätte die Frage nicht anders beantwortet. *g*

Ein gewisser Wille muss beim Leser vorhanden sein, sich auf dieses Buch einzulassen. Es ist kein Krimi, keine Romanze, kein Actionreißer. Es ist ein kleiner Exot, aber genau deswegen gibt es Bücher - um ein klein wenig Magie zu versprühen, den Leser in eine andere Welt zu entführen. "Schiffbruch mit Tiger" ist stellenweise richtig lustig, es ist dramatisch, traurig, eklig, grausam, versöhnlich, hoffnungsvoll. Martel schreibt meist sehr klar und leicht, manchmal auch sehr detailliert. Ein Vorwort des Autors gibt Einblick darin, wie er überhaupt dazu kam, dieses Buch zu schreiben. Die Kapitel sind im ersten Abschnitt hin und wieder von Eindrücken Martels, der sich mit Pi trifft, unterbrochen und teilweise auch sehr kurz - warum es so viele sind, wird im Buch ebenfalls erklärt. :)

Alles in allem ein wirklich empfehlenwertes Buch - ein bisschen anders als die anderen Bücher da draußen, aber gerade deshalb sehr liebenswert und dazu noch intelligent und zum Nachdenken anregend. Für mich ein grandioser Start ins Lesejahr 2011.


Ähnliche Artikel:

Samstag, 1. Januar 2011

Mein Kinojahr 2010

Ein frohes neues Jahr euch allen!

Weil ich letztes Jahr soviel Spaß bei der „Auswertung“ hatte, habe ich auch dieses Jahr meine Kinobesuche Revue passieren lassen. Wieder werfe ich einen Blick auf meine Top-Filme des Jahres; auf die größten Enttäuschungen, auf gutes und schlechtes Publikum.

Es hat sich ganz schön was getan: 2010 hat es mich 47 Mal ins Kino gezogen (2009: 19 Mal), wovon allein 23 Besuche auf mein Stammkino entfielen. Drei Mal fand ich mich sogar in eher obskuren, kleinen Kinos in Aachen, Köln und Düsseldorf wieder. 13 Besuche fielen ins 1. Quartal, ins 2. 10. Im 3. Quartal war ich eher faul mit gerade mal 5 Besuchen, nur um dann im 4. Quartal mit 19 Besuchen noch mal ordentlich Gas zu geben. Man soll das Jahr schließlich gut ausklingen lassen. *g*

Unter den ganzen Kinobesuchen finden sich 8 Filme, die ich jeweils zwei Mal gesehen habe, und sogar zwei Filme, die mich je vier Mal ins Kino zogen (letztere sind „Alice im Wunderland“ und „Rapunzel“).

Der beste Film


Das war dieses Jahr etwas schwieriger zu entscheiden als im letzten. Ich fand einige Filme auf unterschiedlicher Ebene ganz einfach großartig, aber wenn ich alles zusammen nehme und überlege, welcher Film nicht einen einzigen unpassenden Moment hat, oder auch nur einen einzigen störenden Charakter, nun, dann ist es „Toy Story 3“. Da passt einfach alles: Handlung, Charaktere, Humor, Drama, Emotion. Man erwartet so was ja von Pixar, aber dieser Film ist so vollkommen rund, die Zeit flog nur so dahin und am Ende hab ich wieder geheult. :) Ich habe den Film noch einmal angeschaut, und wieder geheult., *g* Und mich erneut sehr darüber gefreut, dass es eine Totoro-Plüschfigur im Film gibt! Pixar, I ♥ you!
Mal schauen, ob Pixar diesen Platz auch im nächsten Jahr verteidigen kann...
Ehrenhalber möchte ich hier aber auch auf jeden Fall „Inception“, „The Social Network“ und „A Single Man“ erwähnen.

Der schlechteste Film

Von den ganz üblen Ausrutschern dieses Kinojahres habe ich zum Glück keinen gesehen (stellvertretend sei „Kindsköpfe“ genannt). Aber einen Film habe ich mir angetan, obwohl ich wusste, dass ich den Film nur überstehen würde, wenn ich zwischendurch blöde Kommentare abgebe. Bot sich ja auch einfach an. Die Rede ist natürlich von „Kampf der Titanen“. Das war irgendwie sehr trashig (v. a. die Götter im Olymp, oh Gott!), und zumeist einfach nur langweilig und „Dank“ des miesen 3Ds noch nicht mal gut anzuschauen. Gemma Arterton kommt halbwegs gut weg, sie hat zwar nichts zu tun, sieht aber immerhin schön aus. Das Pferd war gut. Und Hans Matheson, dem ich ewig dankbar sein werde für seine zwei witzigen Szenen.
Ansonsten ist eigentlich das einzig wirklich Positive, was ich über diesen Film sagen, dass ich als Gefallen für eine Freundin reinging und sie dadurch zwingen konnte, mit mir in „Kick-Ass“ zu gehen.

Der lustigste Film

Hm. Da können sich jetzt auch mehrere Filme um die Krone streiten, aber keine sticht so heraus wie im letzten Jahr „Zombieland“ oder auch „Brüno“. Ich würde es als ein Unentschieden zwischen „Männer, die auf Ziegen starren“ und „Die etwas anderen Cops“ bezeichnen.
„Ziegen“ hat mein Humorzentrum besser getroffen als das vieler anderer Besucher, glaube ich, aber der Film baut zum Ende hin leider etwas ab. Dennoch, ich hab mich köstlich amüsiert.
„Cops“ hingegen hat auch am Ende noch gute Momente zu bieten, hat zwischendurch jedoch kleinere Durchhänger. Dafür bietet dieser Film die lauteren, offensichtlicheren Brüller („Peil das Gebüsch an!“, „Ich bin ein Pfau, lasst mich fliegen!“) – und ich finde Will Ferrell einfach aus Prinzip lustig. *g*

Der emotionalste Film

Eigentlich könnte man meinen, dass ich nun auch hier „Toy Story 3“ als den Gewinner bekannt gebe – schließlich hat mich der Film wieder so richtig zum Weinen gebracht. Und auch viel lachen lassen.
ABER, emotional aufwühlender war ein anderer Film, der mich danach noch lange beschäftigte: „A Single Man“. Ein einfach nur wunderschön-trauriger Film mit großartigen Darstellern, der mich wirklich tief berührt hat.


Die größte positive Überraschung


Das ist definitiv „Drachenzähmen leicht gemacht“. Aufgrund der Trailer und der Tatsache, dass Dreamworks das dahinterstehende Studio ist, hatte ich keine besonders hohen Erwartungen an den Film. Schließlich hatte man kurz vorher den vierten „Shrek“-Film auf die Menschheit losgelassen. Und dann wurde ich verzaubert. Eine gute Handlung, liebenswürdige Charaktere, und vor allem Herz – so ist’s fein, Dreamworks, das ist der richtige Weg! Dazu einer der besten Filmsoundtracks 2010 (die Trommeln!), sehr schön realisiertes 3D, besonders in den Flugszenen – ein wirklich empfehlenswerter Film. Und dazu auch noch eine überraschende Wendung am Ende.


Die größte Enttäuschung

So richtig schlimm enttäuscht hat mich dieses Jahr eigentlich kein Film. Selbst den doch sehr von den Kritikern verrissenen „The Tourist“ fand ich gar nicht so übel. Einen Film gibt es allerdings, von dem ich mir mehr versprochen hatte – und aus dem man mehr hätte machen können: das Remake von „Fame“. Also wirklich, der war lasch. Da wär mehr drin gewesen, v. a. haben mich als Zuschauer die Charaktere, bis vielleicht auf ein oder zwei, total kalt gelassen. Unpraktisch, wenn man dabei mitfühlen soll, wie Träume wahr werden oder eben auch zerplatzen.

Das beste Publikum

Am positivsten in Erinnerung blieb mir das Publikum bei meinem ersten „Inception“-Besuch. Ab ungefähr der Hälfte des Films gingen alle super mit und ich habe schon ewig nicht mehr ein ganzes Kino am Ende auf der vordersten Kante des Sitzes gesehen, alle laut flehend und intensiv auf die Leinwand starrend. Das Ende ist aber auch gemein. *g*
Der zweite Platz geht an das Publikum beim zweiten Besuch von „Die etwas anderen Cops“. Ich hatte schon Sorge, weil es so viele Kinder im Saal gab, aber die Stimmung war wirklich gut.
Gut waren auch die Besucher in „Das Kabinett des Doktor Parnassus“, v. a. weil der Großteil (u. a. meine mich begleitende Freundin) nicht wussten und/oder vergessen hatte, dass Johnny Depp und Co. mitspielten. Da ging ein Raunen durch den Saal... *g*

Das schlechteste Publikum

Ich habe hier leider einige Nennungen „ehrenhalber“ für unglaublich nervige Einzelpersonen, aber das allgemein schlechteste Publikum musste ich in „Einfach zu haben“ ertragen. Meine Güte, da gab es ja überhaupt keine Reaktion! So ein langweilig-uninteressiertes Publikum hatte ich schon ewig nicht mehr. Ja sorry, kann der Film doch nix dafür, dass „Harry Potter“ ausverkauft war!

Tja, und nun zu den Spezialisten, die konsequent versucht haben, mir andere Filme zu vermiesen.
Da wären zuerst die zwei nervig-giggelnden Weiber in der Reihe hinter uns in „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes 1“. Nicht nur, dass sie – häufig an den unpassendsten Stellen – laut kicherten oder störende Kommentare abgeben (es gibt Leute, die haben einen Sensor für ruhige Szenen, die aufgrund der Stille wirken sollen – die plappern genau dann los), NEIN, sie standen auch abwechselnd drei Mal während dieses 2,5-Stunden-Films auf um, Achtung!, Bier zu holen. Es war irgendwie surreal. Da war der Typ vor uns, der nach ca. einer Stunde eine rauchen ging und entsprechend riechend wieder zurückkam, ja gar nix gegen.

Auch wunderbar waren die ca. zwölfjährigen Jungs in „Up in the Air“, bei denen ich mir sicher war, dass sie sich verlaufen hatten. Nee, hatten sie leider nicht. Einer von ihnen war offensichtlich an dem Film interessiert, die anderen zwei nicht. Lautes Gequatsche, Tütengeraschel und Rumgehampel folgte, bis sie dann nach ca. einer halben Stunde den Saal verließen. *puh*
Erwähnen muss ich auch einfach das seltsame Pärchen, dass in „Nine“ landete. Die gingen nach 10 Minuten. Da war noch gar nicht gesungen worden – oder hatte es bereits ein Lied gegeben? Bin nicht mehr sicher. Das war irgendwie ein sehr seltsamer Moment.

Und dann natürlich noch die elenden Blagen (okay, so siebzehn werden sie gewesen sein), die wir im zweiten Besuch von „Alice im Wunderland“ erdulden mussten. Die Mädels wollten den Film sehen, ihre männlichen Begleiter anscheinend nicht, was sie ca. eine halbe Stunde vor Ende auch anfingen, deutlich zu machen. Laute Kommentare wie „Maaaannn, ist das langweilig!“ etc., Treten gegen den Vordersitz, Gequatsche, bis die Mädels keine Lust mehr darauf hatten. Zirka fünfzehn Minuten vor Filmende verließ das Grüppchen den Saal. Meine Güte, wie blöd kann man sein. Schlaft doch, wenn ihr den Film scheiße findet! Haben viele der männlichen Begleiter damals bei „Twilight“ auch gemacht...

Das erinnert mich an....

Wieder wurde ich im ein oder anderen Film von Déjà Vus heimgesucht.
Gleich zwei hatte ich in „Sherlock Holmes“. So kommt darin ein geruchs- und geschmackloses Pulver vor, und das Einzige, woran ich denken konnte, war „Tihi, Jokanpulver!“ Wer „Die Braut des Prinzen“ gesehen hat, weiß Bescheid. *g* Außerdem erinnerte mich eine Szene gegen Ende stark an eine ähnliche in „Das Kabinett des Doktor Parnassus“, den ich kurz zuvor gesehen hatte: Jemand baumelt erhängt unter einer Brücke. *schüttel* Das war ein leicht makabrer Zufall.
„Prince of Persia“ hatte ebenfalls einen „Die Braut des Prinzen“-Moment zu bieten: Dastan wird von seinem Bruder und ein paar Soldaten verfolgt, die offensichtlich super im Spurenlesen sind, und das Einzige, was mir dazu einfällt, ist, „Er kann an einem bewölkten Tag einen Falken verfolgen, er wird Euch finden!“ *g* Von den ganzen an „Fluch der Karibik“ erinnernden Momenten fang ich am besten gar nicht erst an...

Besondere Momente

Der Besuch vom Chaplin-Film „Moderne Zeiten“, bei dem ein großes Orchester die Musik live zum Film spielte, war wunderbar. Eine ganz besondere Atmosphäre, und der Film an sich ist ja eh nicht schlecht.
Außerdem das laute Gekicher, als bei „The Tourist“ am Ende doch tatsächlich Marcus Off (Jack Sparrows deutsche Stimme) zu hören ist und er da so offensichtlich Sparrow ist, dass das dem Publikum nicht verborgen bleibt. *g*

Desweiteren gab es da noch diesen einen männlichen Besucher, den ich einfach erwähnen muss, weil er in „The Twilight Saga: Eclipse“ für einen der besten Kino-Momente ever sorgte. In der von den „Twilight“-Fans herbeigesehnten Bella/Edward-Bettszene will Bella endlich zur Sache kommen, Edward hält sie davon ab (denn er ist NOBEL), Bella guckt unglaublich bedröppelt – und genau im stillsten Moment dieser Szene, es ist grad unglaublich intensiv und emotional (blabla), sagt der Besucher, total trocken und matter-of-fact: „Idiot.“ Es war EPIC.

Und schließlich muss meine beste Freundin auch erwähnt werden, die unbedingt noch mit mir „Rapunzel“ schauen wollte. Der Film neigt sich dem Ende, es wird dramatisch, geht aber natürlich gut aus, und auf einmal hör ich neben mir ein leises Schniefen.
Ich: „Hast du wieder Allergie?“ (denn sie weint ja nicht im Kino)
Sie: *verstohlen schnief* „Nein.“
Ich: „Weinst du wegen dem Film?“ *freu*
Sie: „Ja, Mensch, ich steh auf so Kitsch!“ :D

Und was für eine wunderbare Überleitung...


Der „Oh Mein Gott! Ab Sofort Ein All-Time-Classic, Den ich Immer Und Immer Wieder Anschauen Werde, Weil Er Soooo Toll Ist *Auf Rosa Nostalgie-Wolken Schweb*“-Film


Ich hätte es ja vorher nicht gedacht (auch wenn ich es gehofft habe), aber „Rapunzel“ hat mich absolut begeistert. Vier Mal gesehen und ich könnte immer wieder reingehen, einfach so schön ist er. Der Film erinnert mich so sehr an Disneys Renaissance mit den „Fab Four“, es kommt dieselbe Stimmung rüber, der Spaß, das Märchenhafte... hach. *seufz* Einfach schööööööön.


Tja, das war mein Kinojahr 2010 im Schnelldurchlauf. Mal schauen, was 2011 so bringt!

Verwandte Artikel: