Nach dem unglaublich großen Erfolg der “Twilight“-Reihe von Stephenie Meyer war abzusehen, dass ein neuer Trend für den Jugendbuchsektor gefunden wurde: Vampire. P. C. Cast und ihre Tochter Kristin haben sich diesen Trend mit ihrer „House of Night“-Reihe sehr klug zu Nutze gemacht. Sie griffen die vorhersehbar kommerzielle Idee ihrer Agentin auf und erfanden das Vampir-Internat „House of Night“ – die ultimative Mischung aus „Twilight“ und „Harry Potter“, sozusagen. Zu Zeit liegen neun Bände vor, die Reihe ist noch nicht abgeschlossen.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die 16-jährige Zoey, ein durchschnittlicher amerikanischer Teenie mit den üblichen Problemen (schwieriges Elternhaus, Schule, Freunde...). Ihr vergleichsweise normales Leben ändert sich jedoch eines Tages schlagartig, als sie von einem Vampyr (ja, tatsächlich mit y) „gezeichnet“ wird, d. h. in ihr wurde die genetische Veranlagung erkannt, zum Vampyr zu werden, was sich durch ein halbmondförmiges Mal auf ihrer Stirn ausdrückt. Sie muss so schnell wie möglich ins House of Night, die nächstgelegene Vampirschule. Dort angekommen findet sie recht schnell eine Freundin in ihrer Zimmergenossen Stevie Rae, eine Feindin in Obertussi Aphrodite, und eine Mentorin in Neferet, die gleichzeitig die Schule leitet und Hohepriesterin der Vampyr-Göttin Nyx ist.
Zoey sticht gleich dadurch heraus, dass sich ihr Mal auf der Stirn schon komplett eingefärbt hat, was sonst nur bei vollständig gewandelten Vampyren passiert. Zoey will nichts Besonderes sein, merkt aber schnell, dass Nyx anscheinend ihre schützende Hand über sie hält. Auch geht bei ihr die Wandlung zum erwachsenen Vampyr schneller voran als üblich. Diese Wandlung wird jedoch, wie Zoey bald herausfindet, nicht von allen Jungvampyren überlebt. Als wären das nicht schon Probleme genug, verliebt sie sich auch noch in Erik Night, den heißesten Jungen der Schule – nur hatte der früher eine Beziehung mit Aphrodite, und die lässt sich nicht so leicht zur Seite schubsen.
Ein Vergleich mit „Twilight“ bietet sich ja geradezu an. Und dabei kommt der erste Band der „House of Night“-Reihe immerhin etwas besser weg. Die Charaktere sind brauchbar, so ist mir die Protagonistin Zoey sympathischer als Bella, was allerdings auch nicht besonders schwer ist, und wirklich
sympathisch ist sie auch nicht. Ihre Charakterzeichnung ist nicht gerade tiefgründig, aber immerhin pflegt sie durchaus Freundschaften und empfindet sie nicht als Bürde (so wie es mir bei Bella immer vorkam), liebt ihre Großmutter und sorgt sich um sie und macht ihren Lebenssinn nicht davon abhängig, ob der heiße Typ sie nun will oder nicht. Allerdings zeigt sie jetzt schon deutliche Ansätze, eine dieser überperfekt-besonderen Protagonistinnen zu werden, die einfach alles immer sofort können und immer im Mittelpunkt jeglichen Geschehens stehen und der natürlich auch alle Männer hinterherlaufen (zwischen denen sie sich noch weniger entscheiden kann als Bella).
Die anderen Charaktere sind absolute Stereotypen, gingen mir aber immerhin nicht auf die Nerven. So haben wir das lustig-süße Cowgirl als beste Freundin, den intellligenten Quotenschwulen, die blonde Obertussi (die ständig ihre weiblichen Reize einsetzt) nebst Tussi-Clique, die verständnisvolle indianische Großmutter, den oberheißen Traumtypen usw. Somit waren natürlich einige Entwicklungen vorhersehbar, aber prinzipiell könnte man da was draus machen.
„Gezeichnet“ liest sich sehr schnell und ist hin und wieder auch ganz lustig. Die Autorinnen haben sich auch einige Gedanken über die Vampir-Welt gemacht und das Ganze so aufgebaut, wie man sich vielleicht einen Hexenkult vorstellen würde, mit Dankeszeremonien für die Götten Nyx und Ähnlichem. Dem Zölibat haben sich diese Vampire auch nicht verschworen.
Kommen wir nun zu den negativen Aspekten, denn nur weil „Gezeichnet“ besser ist als „Twilight“, heißt das noch lange nicht, dass es wirklich gut ist.
Was gleich als erstes auffällt, ist die Sprache. Kristin Cast hat wohl über die Geschichte ihrer Mutter drübergelesen und sie „jugendlicher“ gemacht. Und meine Güte, hat mich das genervt. Im Laufe des Buches habe ich mich zwar daran gewöhnt, aber wie oft hier mit Ausdrücken wie „Schlampe“ und dergleichen um sich geworfen wird, das muss nun wirklich nicht sein. Manchmal riss mich das komplett aus der Szene, weil es so gar nicht passte. Nervig waren auch die vielen, zumeist vollkommen sinnlosen und unwichtigen, Anmerkungen Zoeys in Klammern. In Maßen kann das ein ganz unterhaltsames Stilmittel sein (ich benutze es ja selber gern *g*), aber hier war es einfach zu viel. Diese Anmerkungen bezogen sich oft auf irgendwelche Berühmtheiten wie z. B. Paris Hilton oder Ashton Kutcher, und ich frage mich, was die 1.) überhaupt hier zu suchen haben, und 2.) wie aktuell das in zehn Jahren wohl noch sein wird.
Dann wird auch hier wieder ein fragwürdiges Ideal propagiert. Zwar wird hier nicht wie in „Twilight“ die Botschaft vermittelt, dass die Frau brav immer auf ihren Mann hören muss, und dieser ruhig so kontrollierend sein darf wie er möchte, aber einiges stieß mir doch sauer auf. Denn: Vampire sind wunderschön. Immer. Überirdisch schön. Frauen haben lange Haare, sind schlank, aber mit Kurven an genau den richtigen Stellen und sind immer elegant und doch sexy gekleidet. Die Männer sehen ebenfalls aus wie Models und bedienen verschiedene Typen. Eigentlich handelt es sich bei der hier beschriebenen Vampirgesellschaft um ein Matriarchat, dennoch sabbern gerade die Mädchen immer irgendwelchen älteren Jungvampiren hinterher. *seufz* Naja, ist ja in der Realität auch oft nicht anders. Es nervt nur einfach, es angeblich so ganz anders zu machen, und dann doch wieder auf dieselben Klischees zu treffen, v. a. wenn dann der einzige Charakter, der aus dem Rahmen fällt, von allen offensichtlich gemobbt wird und selbst nichts auf die Reihe kriegt.
Vom immer wiederkehrenden erhobenen Zeigefinger fange ich am besten gar nicht erst an (Nehmt keine Drogen, trinkt keinen Alkohol! Und O-Sex ist so ziemlich das Schlimmste, was eine Frau tun kann!).
Sauer aufgestoßen ist mir auch der Elite-Gedanken in der hier beschriebenen Vampirgesellschaft. Einerseits haben wir auch hier wieder einen Teil der Vampire, der absolut gar nichts von den Menschen hält und sie am liebsten loswerden würde. Kennt man aus anderen Geschichten zu Genüge, und wird hier sicher auch zum ein oder anderen vorhersehbaren Konflikt führen.
Aber selbst unter den Vampiren geht es darum, machtvoll zu sein und perfekt. Wenn ein Jungvampir zu schwach ist, die Wandlung zu überstehen, stirbt er eben. Blöd gelaufen. Darüber wird dann natürlich auch nicht mehr geredet, die erwachsenen Vampire tun so, als wäre nichts passiert, schließlich kann es ja jeden treffen. Wer jedoch zum erwachsenen Vampir wird, ist einfach perfekt, super, Krone der Schöpfung.
Was diese Verstorbenen angeht, wird vermutlich noch etwas Dramatisches in den Folgebänden passieren, aber ehrlich gesagt bin ich von den negativen Aspekten zu angenervt, als dass ich mir weitere Bücher dieser Reihe durchlesen möchte. Eine Zusammenfassung auf Wikipedia tut’s sicherlich auch.
Die Handlung rast dahin; ich hatte das Gefühl, dass nicht mehr als 3 Tage vergangen sind, in denen Zoey gezeichnet wurde, in das Internat einzieht, Freunde und Feinde gewonnen hat, der Frauenschwarm der Schule sich in sie verliebt, sie immer mächtiger wird usw. Gleichzeitig gibt es jedoch ständige Wiederholungen, wie z. B. die Beschreibung des Rituals für die Göttin Nyx, die ich später einfach übersprungen habe. Da hätte man ruhig kürzen können.
Fazit: Naja. Mir hat „Gezeichnet“ zumindest besser gefallen als „Twilight“, aber es hat eine Menge Fehler und guten Gewissens empfehlen kann ich es wirklich nicht.
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