Montag, 20. Februar 2012

"Sherlock" (BBC): Die 2. Staffel - na endlich!


Nach der nicht nur in Großbritannien, sondern auch bei uns in Deutschland recht erfolgreichen 1. Staffel, lief nun im Januar die 2. Staffel der TV-Serie „Sherlock“ im britischen Fernsehen. Für die Fans der ersten Stunde hatte das Warten nun nach anderthalb Jahren endlich ein Ende. Die Produzenten Steven Moffat und Mark Gatiss hatten dieses Mal überhaupt keine Lust auf Bescheidenheit und haben sich drei der bekanntesten und beliebtesten "Sherlock Holmes"-Geschichten zur Adaption ausgesucht: „A Scandal in Belgravia“, „The Hounds of Baskerville“ und „The Reichenbach Fall“. Diese Folgen basieren auf der Kurzgeschichte „Ein Skandal in Böhmen“ ("A Scandal in Bohemia"), in welcher Holmes auf die faszinierende Irene Adler trifft – die einzige Frau, die ihn je geschlagen hat; dem Roman „Der Hund der Baskervilles“ ("The Hound of the Baskervilles"), der Holmes und Watson einen dämonischen Hund jagen lässt; und der weiteren Kurzgeschichte „Das finale Problem“ ("The Final Problem"), in der es zum verhängnisvollen Treffen zwischen Holmes und seiner Nemesis Professor Moriarty an den Schweizer Reichenbach-Wasserfällen kommt.

Staffel 2 bringt uns also zuerst den "Scandal in Belgravia" (einem wohlhabenden Stadtbezirk Londons). Sherlock (Benedict Cumberbatch) und John (Martin Freeman) teilen sich nun seit einigen Monaten eine Wohnung in der Baker Street 221 b. Johns Blog erfreut sich großer Beliebtheit und Sherlock wird beinahe schon eine kleine Berühmtheit in der Presse („Hat-Man and Robin“). Eines Tages werden die beiden von Mycroft Holmes (Mark Gatiss) in den Buckingham Palace bestellt. Eine höchst delikate Angelegenheit bedarf der Klärung – dem Secret Service wurde von Irene Adler (Lara Pulver), einer Dominatrix für höchste Kreise mit entsprechendem Ruf, zugetragen, dass sie einige kompromittierende Fotos auf ihrem Handy hat, die eine hochrangige Person des Königlichen Hofes zeigen. Sherlock bekommt den Auftrag, das Handy zu besorgen. Nur ist Irene Adler sehr viel cleverer, als zunächst vermutetet. Und damit für Sherlock unglaublich faszinierend. Aber geht es Miss Adler nur darum, sich mit Sherlock zu messen, oder steckt mehr hinter der ganzen Sache?


In "The Hounds of Baskerville" geht es um Henry Knight (Russell Tovey) und den 20 Jahre zurückliegenden Tod seines Vaters. Als Kind hatte Henry mitansehen müssen, wie sein Vater von einem riesigen schwarzen Hund getötet wurde, was ihn all die Jahre verfolgt hat. Jetzt ist er an den Ort des Geschehens, sein Heimatdorf in Dartmoor, zurückgekehrt. Er sucht Hilfe bei Sherlock, und da dieser gerade keinen anderen Fall hat (außer das leuchtende Kaninchen Bluebell) und der Tatort in interessanter Nähe zum hermetisch abgeriegelten Regierungs-Forschungszentrum Baskerville liegt, sagt er zu und fährt mit John nach Dartmoor.
Sherlock nimmt die Geschichte vom schwarzen Höllenhund zuerst nicht ernst, und besucht mit John Baskerville, wo er sich als sein Bruder Mycroft ausgibt und das Ganze als kurze unangekündigte Überprüfung tarnt. Er lernt Dr. Stapleton (Amelia Bullmore) kennen, die genetische Experimente mit Tieren durchführt. Sherlocks Tarnung fliegt beinahe auf, aber Dr. Frankland (Clive Mantle), der ein großer Fan Sherlocks ist, kommt den beiden zu Hilfe.
Nach einer nächtlichen Untersuchung des Tatorts wird Sherlock jedoch gezwungen, seine bisherigen Schlussfolgerungen zu überdenken. Zum ersten Mal kommen ihm Zweifel an dem, was er gesehen hat und zu wissen glaubte…

Die letzte Folge, "The Reichenbach Fall", geht schließlich auf das große Duell zwischen Sherlock und Jim Moriarty (Andrew Scott) ein. Sherlock ist mittlerweile eine richtige Berühmtheit geworden und wird in der Presse gefeiert (sein erster großer, prestigeträchtiger Fall war das Aufspüren des gestohlenen Gemäldes "Die Reichenbach-Fälle"); John als sein Assistent und gleichzeitiger Ruhepol immer an seiner Seite.
Moriarty erscheint wieder auf den Plan mit einem unglaublichen Verbrechen: Dem Diebstahl der Kronjuwelen. Beim anschließenden Gerichtsverfahren tritt Sherlock als Kronzeuge auf, aber trotz der hieb- und stichfesten Beweise wird Moriarty freigesprochen. Damit hat sein Spiel mit Sherlock aber gerade erst begonnen, denn Moriarty will Sherlock zerstören, wie er es bereits bei ihrem letzten Zusammentreffen andeutete. Die Ereignisse spitzen sich zu und alles deutet auf nur einen möglichen Ausgang hin...


Staffel 1 war damals eine große Überraschung und auch ein kleines Experiment – wie würde das Publikum auf eine im 21. Jahrhundert spielende Version von „Sherlock Holmes“ reagieren? Nun, die Antwort war: Sehr enthusiastisch. Die Episoden 1 und 3 („Ein Fall von Pink“ und „Das große Spiel“) wurden in Großbritannien von über 9 Mio. Zuschauern gesehen, Folge 2 („Der blinde Banker“) von etwas über 8 Mio., was immer noch ein sehr gutes Ergebnis ist. In Deutschland fiel die Ausstrahlung der ARD in das Ende der Sommerferien, aber dennoch sank der Marktanteil nie unter den Senderschnitt, und war beim Auftakt mit 4,42 Mio. Zuschauern sogar bei 16,9 %.
Staffel 2 übertraf die Werte der vorangegangenen Staffel sogar noch: Den Auftakt sahen 10,66 Mio. Briten, das Staffelfinale „noch“ 9,78 Mio. (wobei hier auch die Ausstrahlung um eine ganze Stunde nach hinten verschoben wurde; ein sarkastisches „Danke“ von all den ausländischen Fans, deren Zeit vor der Großbrittaniesn liegt...). Wir dürfen gespannt sein, wie sich die 2. Staffel bei ihrer deutschen Erstausstrahlung macht.


Jetzt habe ich euch Fakten ohne Ende um die Ohren gehauen, ohne darauf einzugehen, wie gelungen die neue Staffel denn nun eigentlich ist. Hohe Einschaltquoten sagen ja noch längst nichts über die Qualität aus...
Aber ich kann euch beruhigen: Die Staffel kann das Niveau der ersten Staffel ohne Probleme halten, ja ich würde sogar sagen, sie übertrifft es größtenteils sogar!

Meine Einschätzung
„A Scandal in Belgravia“ ist eine absolut großartige Folge mit vielen Wendungen, herrlichen Charaktermomenten, und einer guten Prise Humor und Drama. Geschrieben wurde sie von Steven Moffat, der offensichtlich in Interviews immer genau das Gegenteil von dem sagt, was er dann letztendlich in der Serie zeigt. *seufz* Lara Pulver ist eine wahre Freude als Irene Adler, die so ihre ganz eigene Art hat, um Sherlock aus dem Konzept zu bringen. Sie ist eine faszinierende Person und Pulver wird ihr in jeder Situation gerecht – sei es als undurchschaubare Kontrahentin oder als beinahe verletzliche Hilfesuchende.
Mark Gatiss darf hier seine Rolle des Mycroft Holmes verstärkt ausbauen, und er schafft es diesen so distanzierten Charakter dem Zuschauer näher zu bringen.
„Scandal“ bietet einige unglaublich lustige Szenen (großartige Montage zu Beginn, die einige Fälle aufgreift) und schafft es, die tiefe Freundschaft zwischen Sherlock und John zu unterstreichen, obwohl der Fokus der Geschichte an sich eher auf Irene Adler liegt. Außerdem bietet diese Folge einige der besten und kreativsten Schnitte der gesamten Serie (s. weiter u.).


„The Hounds of Baskerville“ weicht an einigen Stellen deutlich von der Vorlage ab, nur um dann doch wieder bestimmte Elemente sehr schön einzubinden. So wird z. B. auf den Ritterstand des Sir Henry aus dem Roman dadurch eingegangen, dass Henry hier Knight mit Nachnamen heißt. In Baskerville tragen einige der Charaktere Namen aus dem Roman (Major Barrymore, Dr. Stapleton) und natürlich gibt es die Geschichte vom schwarzen Höllenhund.
Diese Folge wurde von Mark Gatiss geschrieben und er legte v. a. Wert darauf, eine möglichst unheimliche Atmosphäre zu kreieren, da „Der Hund der Baskervilles“ im Grunde Arthur Conan Doyles kleiner Ausflug ins Horror-Genre war.

Russell Tovey als Henry ist toll, v. a. in einer erinnerungswürdigen Szene, bei der er denkt, in seinem Garten den schwarzen Hund zu sehen – sehr gut inszeniert, toll gespielt und musikalisch effektvoll untermalt. Der schlimmste Horror liegt immer in dem, was wir uns vorstellen.
Sherlock und John bekommen einige sehr schöne Szenen, die noch einmal unterstreichen, wie gut sie zusammenarbeiten (als es Probleme in Baskerville gibt, springt John ein und benutzt ohne Zögern seinen Rang als Captain, um Zugang zu bekommen) und wie wichtig sie füreinander sind („I don’t have friends. I just have one.“).
Für Fans scheint diese Folge die schwächste der neuen Staffel zu sein, allerdings liegt das wohl eher daran, dass die Handlung dieses Mal eher geradlinig ist und sich eher auf Atmosphäre und die Beziehungen der Charaktere zueinander konzentriert. Und wenn ich sage „schwächste“, meine ich immer noch: Großartige Folge, aber man muss weniger denken. *g* Was ja auch mal ganz schön ist.

Und dann haben wir das große Finale, „The Reichenbach Fall“. Geschrieben wurde diese Folge von Stephen Thompson, der auch schon „Der blinde Banker“ schrieb, welche von den meisten Fans als die schlechteste aller Folgen angesehen wird. Entsprechend gab es unter den Fans einige, die Sorge hatten, dass gerade diese letzte wichtige Folge den Erwartungen nicht gerecht wird.
Zum Glück wurden diese Befürchtungen nicht Realität. „The Reichenbach Fall“ ist eine emotionale Achterbahnfahrt. Hier wird die Loyalität einiger Charaktere auf eine harte Probe gestellt, und sie zeigt, wie Freundschaft Menschen verändern kann. Gleichzeitig ist diese Folge aber auch ein Kommentar zur Medienwelt, die sich ihre Stars zuerst aufbaut, um sie dann mit großer Freude kurz darauf in der Luft zu zerfetzen. Wir lernen sogar eine Sensationsreporterin kennen: Kitty Riley (Katherine Parkinson) hat Informationen und sie wird sie nutzen.


Die Schauspieler
Und natürlich ist gerade „The Reichenbach Fall“ auch die Möglichkeit schlechthin für Benedict Cumberbatch, Martin Freeman und Andrew Scott zu zeigen, was sie schauspielerisch zu leisten im Stande sind.
Cumberbatch spielt Sherlock als jemanden, der eine Entwicklung durchgemacht hat seit seinem ersten Zusammentreffen mit John Watson und sich durchaus zum Positiven verändert hat. Er ist immer noch rational, logisch denkend, meist absolut taktlos usw., aber er hat für sich akzeptiert, dass es eben doch Menschen gibt, die ihm etwas bedeuten. Und er handelt entsprechend. Cumberbatch bedient im Grunde das gesamte Spektrum an Emotionen und ist absolut großartig. Für seine Leistung in der großen Konfrontationsszene (und ihr Nachspiel) allein hat er schon alle Auszeichnungen verdient, die es so gibt.

Andrew Scott hat in dieser Folge seinen großen Auftritt, nachdem wir ihn zuvor immer nur recht kurz gesehen haben. Moriarty ist jemand, der immense Mittel zur Verfügung hat, um alles genau so zu inszenieren, wie er es gerne hätte. Er langweilt sich, und deshalb hat er Spaß daran, sich mit Sherlock zu messen, wobei er nie einen Hehl daraus macht, wie er das Ganze zu enden wünscht: Mit Sherlocks Tod. Und ohh, er ist gut! Scott zeigt hier einige Facetten, die wir vorher von Moriarty so nicht gesehen haben, und es war wunderbar, ihm dabei zuzuschauen. Wüsste ich es nicht besser, ich hätte ihm geglaubt. *g*

Martin Freeman schließlich liefert hier ein für allemal den Grund, warum Peter Jackson nur ihn für die Titelrolle in seinem „The Hobbit“-Großprojekt haben wollte und sogar die Produktion verschob, damit Freeman „Sherlock“ drehen konnte. Er ist grandios. Seine letzte Szene ist wohl das Ergreifendste, was wir in dieser Serie bisher zu sehen bekamen, dabei dennoch zurückhaltend und real... wäre ich nicht noch von den vorangegangenen Ereignissen schockiert gewesen, wären mir wohl die Tränen gekommen. Er ist perfekt, das muss man einfach anerkennen. Er gewann bereits einen BAFTA für diese Rolle, und ich hoffe, dass in Kürze der nächste folgt. Alles andere wäre eine Ungeheuerlichkeit. Mein größtes Problem ist hier übrigens gerade, dass ich nicht so viel zu seiner Leistung sagen kann ohne extrem zu spoilern. *g* Glaubt mir also einfach wenn ich sage: Freeman liefert eine herzergreifende, realistische, tiefgründige und teilweise richtig lustige Leistung ab. Er ist der Meister der pointierten Reaktion.

Erwähnt sei auf jeden Fall auch noch Rupert Graves als Detective Inspector Greg Lestrade (ja, jetzt mit dem Vornamen als Bonus! *g*), der in "Hounds" mal kurz vorbeischaut (und einen verdammt coolen Auftritt hinlegt), sowie einige sehr gute Momente in "Fall" hat.
Una Stubbs als Mrs. Hudson ist die Seele in 221 b und darf beweisen, dass sie dazu noch eine recht clevere Frau ist, die selbst in Extremsituationen noch besonnen reagiert.
Natürlich sind alle weiteren Nebendarsteller ebenfalls sehr passend besetzt, und Lou Brealey als Molly Hooper, die Ärztin aus der Pathologie, bekommt auch endlich ihre Gelegenheit zu scheinen.


PhotobucketPhotobucket

Kurz zur technischen Seite: Wie schon weiter oben erwähnt ist der Schnitt und allgemein die Cinematografie nach wie vor vom Feinsten und einfach mal „was anderes“. Es hat mich nie abgelenkt, sondern ließ mich einfach nur kurz denken, „Wow, cool!“ – ich hoffe, dass Fabian Wagner und Charlie Phillips dafür einige Preise einheimsen.
David Arnolds und Michaels Prices Musik verwendet einige der altbekannten Themen und fügt einige sehr gute neue hinzu (gerade ein Thema aus „Scandal“ ist wunderbar dramatisch). Der Soundtrack zu Staffel 1 ist bereits erhältlich (Laufzeit knapp 60 min, mit einer guten Auswahl an wichtigen musikalischen Themen), der zu Staffel 2 erscheint Anfang März.


Eine dritte Staffel hat bereits von der BBC grünes Licht bekommen. Der zuerst von Moffat anvisierte Starttermin im Januar 2013 ist allerdings leider sehr unwahrscheinlich: Beide Hauptdarsteller sind nämlich derzeit gut beschäftigt – Benedict Cumberbatch wird im neuen „Star Trek“ dabei sein und Martin Freeman hat noch dieses kleine Projekt in Neuseeland. Die Fans können sich also vermutlich wieder auf die furchtbar lange Wartezeit von anderthalb Jahren einstellen. Aber man ist ja bereits abgehärtet. *g*

Die ARD zeigt Staffel 2 von „Sherlock“ dieses Jahr kurz vor und zu Pfingsten, und zwar am 17., 27. und 28. Mai. Die einzige Frage, die sich mir zur deutschen Fassung im Moment stellt: Hat man es beim Drehbuch für die Synchronisation geschafft, dass Sherlock und John sich mittlerweile mit "Du" ansprechen? Weiter auf das "Sie" zu pochen, wäre nun tatsächlich ziemlich unglaubwürdig, zurückhaltende Engländer hin oder her. *g*

Fazit: "Sherlock" ist nach wie vor eine fantastische Adaption der "Sherlock Holmes"-Geschichten. Der Zuschauer bekommt in Staffel 2 drei richtig große neue Folgen geboten, mit einer Menge Spannung, tollen Dialogen und Charakterisierungen, einer ordentlichen Portion Humor und... Emotionen. Wie soll man das in Staffel 3 noch toppen? *g*
Ansonsten bleibt mir nicht mehr viel zu sagen außer:


GIFs von tumblr.


Ähnliche Posts:

Mittwoch, 15. Februar 2012

Zur Überbrückung meines ewigen Schweigens: YouTube

Ich schneie nur mal kurz herein und lasse euch teilhaben ein zwei herrlichen Videos:

Das große Jammerballade "Hello" einmal etwas anders:


Jean Dujardin, Oscar-nominiert für "The Artist", spricht für all die kommenden Bösewichtrollen vor:

Montag, 6. Februar 2012

Wir sind doch nicht bei James Bond: "Dame, König, As, Spion"


Bevor ich auf den (guten!) Film eingehe, möchte ich noch ein paar Worte über ein sehr sinnvolles, einigen Menschen anscheinend jedoch vollkommen fremdes, Konzept verlieren: Das der Informationsbeschaffung. Bevor man Geld für etwas ausgibt.
Manchmal frage ich mich wirklich, ob manche Leuten ihren Verstand auch benutzen, oder ihn einfach zu dekorativen Zwecken haben. Seltsam wie ich bin, informiere ich mich vor einem Kinobesuch über den Film - und damit meine ich: Ich lese auch mal eine komplette Kritik, und nicht nur das Fazit am Ende. Das kann durchaus dabei helfen, um um Filme, die mir vielleicht nicht so zusagen, einen Bogen zu machen, anstatt nachher enttäuscht im Kinosaal zu sitzen und (viel) Geld für etwas ausgegeben zu habe, was mir gar nicht gefällt.

Also, vorneweg: "Dame, König, As, Spion" handelt zwar von Spionage im Kalten Krieg der 70er Jahre, hat aber nichts, ich wiederhole: nichts!, mit "James Bond" oder der "Bourne"-Trilogie zu tun. Wer Explosionen sehen will, voll krasse Verfolgungsjagden (per Auto, Jet, zu Fuß) und große Kampf- und Prügelszenen, der ist in diesem Film absolut falsch. Wirklich, glaubt es mir.

Denn: Dieser Film nimmt sich Zeit. Zeit für Routine, für Eindrücke, für Mimik und Gestik. Wer die Geduld dafür nicht hat, kann im Grunde nach der ersten Viertelstunde gehen.

"Dame, König, As, Spion" basiert auf dem gleichnamigen Roman von John Le Carré. Dieser Roman ist sicherlich einer der bekanntesten Le Carrés, der seinen Durchbruch mit "Der Spion, der aus der Kälte kam" hatte, und spielt im Milieu des britischen Geheimdienstes MI6, von seinen Mitgliedern Circus genannt.

Hauptcharakter ist George Smiley (Gary Oldman), dessen ehemaliger Vorgesetzter Control (John Hurt) kurz vor seinem Rauswurf die Vermutung in den Raum stellt, dass einer seiner Spitzenleute ein Maulwurf des russischen KGB ist. Eine von Control heimlich in die Wege geleitetet Mission des britischen Agenten Jim Prideaux (Mark Strong), bei der man den Decknamen des Verräters herausfinden wollte, ist bereits dramatisch gescheitert.
Smiley wird beauftragt, der Sache auf den Grund zu gehen. Der machthungrige Percy Alleline (Toby Jones), der übergelaufene Toby Esterhase (David Dencik), der forsche Roy Bland (Ciarán Hinds) oder der selbstgefällige Bill Haydon (Colin Firth) - einer von ihnen muss der Maulwurf sein. Mit Hilfe seines Assistenten Peter Guillam (Benedict Cumberbatch) und dessen Kontaktmann Ricki Tarr (Tom Hardy) macht Smiley sich an die Arbeit.


Man muss schon sagen, Regisseur Tomas Alfredson ("So finster die Nacht") hat eine ansehnliche Schauspielerriege um sich versammelt.
Gary Oldman ist absolut zu Recht für einen Oscar nominiert. Sein George Smiley ist ein desillusionierter Charakter, sehr in sich gekehrt, der nur sehr wenig mit Worten, aber dafür um so mehr mit Mimik und Gestik spricht.
Toby Jones, Ciarán Hinds, David Dencik und Colin Firth geben ihren Spitzengeheimdienstlern interessante Facetten - jeder von ihnen könnte der Verräter sein, und keiner von ihnen sit wirklich sympathisch.
Benedict Cumberbatch spielt Smileys Assistenten charmant, aber auch durchsetzungsfähig genug, um absolut glaubwürdig zu sein. Eine Szene blieb mir besonders im Gedächtnis, da sie seinem Charakter noch einmal eine eher unerwartete Wendung gibt (und mir beinahe etwas zu nah ging, da es doch gewisse Parallelen zum Ende der zweiten "Sherlock"-Staffel gab…).
Mark Strong und Tom Hardy sind ebenfalls großartig als verbitterter (Ex)-Agent bzw. wandelndes Pulverfass; aber auch alle anderen Schauspieler passen sehr gut auf ihre Rollen und liefern tolle Leistungen ab.

Der Film besticht durch eine unterschwellige Anspannung und eine oft leicht beklemmende Atmosphäre; Paradebeispiele dafür sind das Treffen Jim Prideauxs mit dem möglichen Informanten, Peter Guillams heimliche Aktenbeschaffung im Circus, oder ein Gespräch auf einer Rollbahn während einer Flugzeuglandung.
Die Handlung springt zwischen Gegenwart (1973) und Vergangenheit hin und her, aber es gibt immer genug Hinweise, um dem Ganzen folgen zu können. Ich fand es jedenfalls längst nicht so kompliziert, wie manche Kritiken einen glauben machen wollten.

Wie gesagt nimmt Alfredson sich viel Zeit und das einzig Negative, was ich über diesen Film sagen kann, ist, dass die ein oder andere Szene tatsächlich nur zur Unterstreichung der Routine da war und ruhig hätte herausgenommen werden können. Dennoch habe ich mich nie gelangweilt, ganz einfach weil der Film meiner Meinung nach die Spannung trotz dieser Wiederholungen gut aufrecht erhält, und gerade zum Ende deutlich zulegt.

Fazit: "Dame, König, As, Spion" ist ein feiner Schauspielerfilm mit sehr gut ausgearbeiteter Atmosphäre und einem gemächlichen Erzähltempo. Wer krachende Action sucht, ist hier fehl am Platz, aber wer ein schönes Spionage-Schachduell sehen will, sollte sich diesen Film nicht entgehen lassen.